Ortschaft in Ostfriesland, seit 1237
GESCHICHTLICHER ÜBERBLICK
An den Friesenkönig Radbod erinnert heute noch der sogenannte Radbodsberg bei Dunum, ein urgeschichtlicher
Grabhügel. Ob unser Gebiet jedoch zum Reich Radbods gehörte, ist zumindest zweifelhaft. Es soll weiter westlich
gelegen haben. Ostfriesland war damals wahrscheinlich Bestandteil des sächsischen Stammesstaates.
Im Jahre 804 wurde mit dem nördlichen Sachsen auch Ostfriesland endgültig von den Franken unterworfen. Es
schien so, als sollte damit die Christianisierung der hiesigen Bevölkerung vollendet werden. Aber schon wenige
Jahre später wurde den Franken die Herrschaft wieder streitig gemacht durch die heidnischen Normannen, die auch
die Küste Ostfrieslands heimsuchten, raubten und plünderten und die Verbreitung des christlichen Glaubens zu
verhindern suchten.
Amtsgrafen sind in Friesland erst wieder nach der Normannenzeit eingesetzt worden. Die Ausübung königlicher
Gewalt im Rahmen der Graftschaftsverfassung ist jedoch nie vollends verwirklicht worden. Die landespolitische
Entwicklung brachte in der Folgezeit die Auflösung der Grafschaftsbezirke, und nach und nach traten
Landesgemeinden an deren Stelle. Die in den Richtern verkörperte Selbstverwaltung wurde mit der Zeit weiter
ausgebaut, und es entstand vermutlich schon im 12. Jahrhundert, sicher aber um 1200, als überregionale
Organisation der Upstalsboombund, ein Landfriedensbund aller friesischen Seelande.
Die Abgeordneten trafen sich alljährlich am Dienstag nach Pfingsten beim Upstaalsboom bei Aurich, um über das
Wohl Frieslands zu beraten. Ein entscheidender Nachteil des Upstalsboomverbandes war es aber, daß es ihm an
eigenen Machtmitteln fehlte, seine Beschlüsse überall wirksam durchzusetzen.
Schattenseiten dieser als friesische Freiheit bezeichneten Jahrhunderte waren jedoch zahlreiche Fehden, an denen
zeitweise das ganze Gebiet zwischen Weser und Ems beteiligt war. Dennoch waren das späte 12. und besonders das
13. Jahrhundert Zeitalter allgemeinen Wohlstandes. Diese wirtschaftliche Situation fand ihren sichtbarsten Ausdruck
in den damals erbauten zahlreichen Dorfkirchen, die heute noch überwiegend erhalten sind.
Um 1350 hatte die Pest gewütet. Bei der Marcellusflut 1362 waren viele ertrunken. Die Volkskraft war geschwächt. Die
Auflösung der bisherigen Staatsform zeichnete sich ab. Die 16 Richter fanden keinen Gehorsam mehr. Die
Zusammenkünfte am Upstalsboom wurden nicht mehr abgehalten. Nur die Kirchspiele hielten noch zusammen.
So traten neben der alten Obrigkeit allmählich örtliche Herrscher in den Vordergrund: die Häuptlinge. Innerhalb
weniger Jahrzehnte gelang es ihnen, die tatsächliche Gewalt im Lande an sich zu reißen. Die Fähigsten unter ihnen
konnten ihren Einflußbereich über ihr Dorf hinaus ausdehnen und traten bald als Anführer kleinerer oder größerer
Bezirke auf.
In Wittmund regierte die Häuptlingsfamilie der Kankena, und um Greetsiel, Norden und Aurich baute die
Häuptlingsfamilie der Cirksena ihre Macht aus. Ulrich I. aus dem Hause der Cirksena war bislang durch Heirat auch
Häuptling zu Esens. Nun er Häuptling in Aurich und Norden geworden war, überließ er Esens dem Mann seiner
Stieftochter, Sibo Attena aus Dornum. Dieser gewann in der Weihnachtsnacht 1454 durch Verrat die Burg der
Kankena in Wittmund und beendete hier deren Aera.
Schon im August 1455 nannte Sibo Attena sich Häuptling von Dornum, Esens, Stedesdorf und Wittmund. Das
Harlingerland wurde nun von Esens aus regiert.
Um seine Stellung zu festigen, besonders aber, um die Nachfolge seiner Söhne zu sichern, suchte Ulrich I. Cirksena
um die Anerkennung des Reiches nach. Gegen eine Gebühr von 9.000 Gulden machte Kaiser Friedrich III. ihn zum
Grafen in Ostfriesland. Als Grenzen seines Reiches wurden angegeben Weser und Ems. Ganz Ostfriesland war ihm
also nicht zugesprochen worden, denn im Mittelalter wurde die niederländische Provinz Groningen immer dazu
gerechnet. Die feierliche Belohnung fand am 23. Dezember 1464 statt. Die Cirksena regierten nun mit wechselndem
Erfolg bis 1744 Ostfriesland.
Ulrichs zweiter Sohn Edzard, genannt der Große, versuchte, seine Macht auf das zugestandene Gebiet auszudehnen.
In den folgenden kriegerischen Ereignissen kam er jedoch in arge Bedrängnis und konnte sein angestammtes Gebiet
nur mit Mühe behaupten. Budjadingen erhielt er nicht wieder, wurde jedoch Regent des Jeverlandes.
Am 14. Februar 1528 war Edzard der Große gestorben. Sein Sohn Enno II. (1528 1540) sollte nach einer Verabredung
von 1517 Fräulein Maria, Herrin des Jeverlandes, heiraten. Er nahm jedoch Anna von Oldenburg zur Ehe. Damit
gewann er die Dörfer Marx, Etzel und Horsten, verlor aber das Jeverland.
Daß Enno II. sie verschmäht hatte, konnte Maria ihm und seinen Kindern nicht vergessen. Zu ihrem Erben setzte sie
daher einen Neffen zweiten Grades ein, den Grafen Johann VII. von Oldenburg. Mit dem Tod Fräulein Marias 1575 fiel
das Jeverland der Grafschaft 0ldenburg , dem späteren Großherzogtum, zu.
Das Harlingerland konnte auch unter den Nachfolgern Sibo Attenas seine Eigenständigkeit weitgehend erhalten. Erst
nach der Eheschließung Ennos III. aus dem Hause der Cirksena mit der Erbtochter des Harlingerlandes, Walpurgis
von Rietberg, übernahm das ostfriesische Herrscherhaus 1582 auch die Regentschaft im Harlingerland. Im Berumer
Vergleich vom 28. Januar 1600 wurde der endgültige Anschluß des Harlingerlandes an Ostfriesland geregelt.
Im Jahre 1654 empfing Enno-Ludwig (1651 1660) vom Kaiser den Titel eines Fürsten von Ostfriesland. Mit Karl-Edzard
starb jedoch 1744 der letzte Fürst von Ostfriesland. Mit ihm endete die Aera der Cirksena.
Ostfriesland fiel aufgrund einer Anwartschaft an das Königreich Preußen, in dem damals Friedrich II., der später
ebenfalls der Große genannt wurde, regierte. Nach der Niederlage gegen den Franzosenkaiser Napoleon büßte
Preußen im Frieden von Tilsit 1807 auch Ostfriesland ein, das ohne das Rheiderland, aber mit dem Jeverland ein
Departement im Königreich Holland und 1810 mit diesem dem Kaiserreich Frankreich einverleibt wurde.
Die Herrschaft der Franzosen dauerte nicht lange. Nach den Freiheitskriegen verzichtete Preußen im Wiener Kongreß
1815 auf Ostfriesland und überließ es dem Königreich Hannover. Als Hannover aber im Kriege von 1866 von Preußen
zerschlagen und preußische Provinz wurde, wurde auch Ostfriesland wieder preußisch, und zwar als selbständiger
Verwaltungsbezirk.
Das Harlingerland war bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts in die Ämter Esens und Wittmund eingeteilt. Das alte
Amt Friedeburg wurde 1859 dem Amt Wittmund zugeschlagen. Aus diesen Ämtern und der Stadt Esens entstand mit
Wirkung vom 1. April 1885 der Landkreis Wittmund mit Sitz in Wittmund.
Der Landkreis Wittmund gehörte seit demselben Jahr zusammen mit fünf weiteren Landkreisen zum
Regierungsbezirk Aurich, der aus der Landdrostei gebildet wurde. Später wurde die Zahl der Landkreise im
Regierungsbezirk Aurich auf vier verringert, nämlich Aurich, Leer, Norden und Wittmund. Emden gehörte als
kreisfreie Stadt ebenfalls zum Regierungsbezirk Aurich, dem jetzigen verwaltungsmäßigen Ostfriesland.
Das Jeverland hatte zwischenzeitlich durch familiäre Verflechtungen zum Fürstentum Anhalt-Zerbst und seit 1793
sogar zum russischen Zarenreich gehört. Nach der Franzosenzeit wurde es 1818 wieder Oldenburgisch und bildete
später im wesentlichen mit dem Gebiet um Varel den Landkreis Friesland mit Sitz in Jever.
Eggelingen, im Osten des Harlingerlandes gelegen, grenzt unmittelbar an das Jeverland und hat daher die
Auswirkungen der Machtkämpfe in den vergangenen Jahrhunderten mit Sicherheit öfter als einmal zu spüren
bekommen. Eggelingens östliche Gemeindegrenze war zeitweilig Landesgrenze zwischen Preußen bzw. Hannover
einerseits und Oldenburg andererseits. Später verliefen hier auch die Bezirks und die Kreisgrenze.
Die Landesgrenze wurde überwunden durch die Entstehung des Landes Niedersachsen, das 1946 im wesentlichen
aus der früheren preußischen Provinz Hannover und dem Land Oldenburg gebildet wurde.
Die Bezirksgrenze wurde überwunden, als durch die Bezirksreform im Jahre 1977 aus den Regierungsbezirken
Osnabrück und Aurich und dem Verwaltungsbezirk Oldenburg der neue Regierungsbezirk WeserEms entstand.
Die Vereinigung des Landkreises Wittmund mit dem Jeverland im Zusammenhang mit der Kreisreform scheiterte
jedoch, weil der Landkreis Friesland gegen seine Teilung Klage beim Niedersächsischen Staatsgerichtshof erhob.
Dieser entschied am 14. Februar 1979, daß die Aufteilung des Kreisgebiets Friesland mit der Niedersächsischen
Verfassung nicht im Einklang stand. Der Landesgesetzgeber hat diesem Urteil Rechnung getragen und per 1. Januar
1980 die alten Landkreise Friesland und Wittmund wieder hergestellt. Ob und inwieweit dabei die alten Gegensätze
aus früheren Jahrhunderten eine Rolle spielten, können wir nicht beurteilen.
Vorstehende Ausführungen haben wir weitgehend folgender Literatur entnommen:
"Kurze Geschichte Ostfrieslands" von Carl Woebcken
"Landkreis Wittmund" von Karl-Heinz de Wall
"Ostfriesland" von Eckart Kroemer, Heino Schmidt und Hajo van Lengen.
Weitere Literaturquellen ergeben sich aus dem nachfolgenden Text.