Eggelingen
Ortschaft in Ostfriesland, seit 1237
DIE KIRCHENGEMEINDE EGGELINGEN 2 Mit der Eggelinger Kirchengeschichte befaßte sich auch Dr. Gustav Würtenberg, ein Sohn des damaligen Lehrers Würtenberg, in einer Ausgabe des Anzeigers für Harlingerland aus dem Jahre 1923. Unter der Uberschrift "Aus alten Kirchenbüchern" schreibt Dr. Würtenberg u.a.: "Sommerurlaub auf dem Lande. Es regnet wieder einmal. Oder besser, immer noch, seit langen Wochen. Man ergibt sich schon mit stoischem Gleichmut drein. Wat kannst dr an maken? Aber ein unbehaglicher Zustand ist's doch. Der Weltlauf und der Gang der großen Politik können die Laune auch nicht gerade erheitern. Da flüchtet man zu alten Folianten aus dem Pfarrarchiv (die Herr Pastor Behnen freundlich zur Verfügung stellte) und blättert einmal nach, wie es vor alten Zeiten im Heimatdörfchen ausgesehen. Und die alten Blätter beginnen zu reden. Bis ins 16. Jahrhundert gehen, dürftig genug zunächst, die ältesten Nachrichten zurück, etwas breiter schon fließt die Uberlieferung im 17. Jahrhundert, zur Zeit des dreißigjährigen Krieges. Aber auch da noch sind es wesentlich etliche Daten über die Prediger, 'da zu Egeling geleret haben'. Eigenartig, wie sich der Geist der Zeiten selbst in einem stillen Dörfchen widerspiegelt. Da nennen sich die Eggelinger Geistlichen nicht mehr Focken und Heinen, sondern nach berühmten Mustern und nach der Sitte der Zeit latinisiert "Foccius" und "Heinaeus". Der letztgenannte Heinaeus, der hier 1658 starb, war auch sonst ein echter Sohn des 17. Jahrhunderts und der altprotestantischen Theologengeneration, die oft ihre beste Kraft in Lehrstreitigkeiten vergeudete und oft vom lebendigen Gotteswort nur noch den starren Buchstaben in der Hand behielt. So hat auch Pastor Heinaeus einige schwer gelehrte Werke, natürlich in lateinischer Sprache, der Nachwelt zu Nutz und Frommen hinterlassen, eine "Dissertatio des sacramento baptismi" und eine "Diss. de signo et signato". Wohl dem, der sie nicht zu lesen braucht! Die Zeiten wandeln sich. Die altprotestantische Orthodoxie wird durch die Aufklärung des 18. Jahrhunderts abgelöst. Auch diese hat in Eggelingen einen typischen Vertreter gefunden, den Pastor Bernhard Peter Karl. Es muß ein recht streitbarer Herr gewesen sein, der seine Uberzeugung in einer ganzen Reihe von Schriften verfocht und von der kirchlichen Behörde zeitweise sogar seines Amtes entsetzt wurde. Wen es gelüsten sollte, der möge Näheres über Karl nachlesen im 2. Bande von Ritschels berühmter "Geschichte des Pietismus" (S. 338 ff.). Es hat also doch offenbar reges geistiges Interesse in Eggelingen gelebt. Auch sonst haben sich noch verschiedene Eggelinger Pfarrer literarisch betätigt, so z. B. Diderich Ludewig Goedeken, der 1762 eine "Nähere Erklärung des Briefes Jakobi" herausgab. Goedekens Amtsnachfolger Gerhard Julius Leiner (dessen Nachkommen noch in Schmackens und Scheep leben) hat uns eine in mancher Hinsicht interessante Jahrhundertpredigt aus dem Jahre 1800 hinterlassen: "Einige merkwürdige Begebenheiten des 18. Jahrhunderts". Nach einer Ubersicht über die Geschichte des preußischen Königshauses im 18. Jahrhundert kommt Leiner auf örtliche Begebenheiten zu sprechen: 'Im Jahre 1717 um Weihnachten brachen die wilden Fluthen des Meeres durch Deich und Dämme, und im Jahre 1718 und 1720 um Neujahr stellten sich abermals heftige Fluthen ein, welches um so viel leichter geschehen konnte, weil es nicht möglich war, nach der ersten Weihnachtsfluth die Deiche in gehörigen dauerhaften Stand zu setzen. Man kann ohne Schauder nicht lesen, was für entsetzlicher Schaden durch solche Fluthen geschehen und wieviel 1000 Menschen dabei unglücklich geworden. ... Diese unsere Gemeinde ist noch insoweit glücklich dabei gewesen, indem in der Hauptfluth um Weihnachten nur 27 Häuser beschädigt, 17 Rinder, 4 Pferde, 2 Schafe und 13 Schweine ertrunken, kein Mensch aber darinnen sein Leben eingebüßet hat. Dahingegen in unserer Nachbarschaft, als Beerdum und Funnix, wohl 350 Menschen ihr Leben verloren und sehr vielen ihr Hab und Gut den Wellen des Meeres zur Raube geworden und nebst dem Verlust ihrer Häuser auch eine sehr große Menge Vieh allerlei Art verlohren haben.' Bei der furchtbaren Weihnachtsflut von 1717, unter das ganz besonders Funnix so schwer gelitten hat, scheint demnach den Eggelingern die Anlage des Ortes auf zwei großen Warfen zur Rettung geworden zu sein. Dahin mögen bei hereinbrechender Flut wie vor den Deichbauten zur Zeit der alten Chauken tagtäglich beim Wechsel der Gezeiten die Einwohner geflüchtet sein. Es folgt dann ein Exkurs über den Tod des letzten ostfriesischen Fürsten Karl Edzard und über Friedrich den Großen und den siebenjährigen Krieg. Dann fährt Leiner fort: 'Je näher wir aber dem Ende des vorigen Jahrhunderts kamen, je heftiger brach abermals, wegen der Regierungsveränderung in Frankreich, ein Krieg aus, worinnen zwar anfänglich das Preußische Haus mit verwickelt war, woraus es sich aber glücklich zum Besten seiner Unterthanen herausgezogen hat, so daß wir, Gott Dank, bis hierzu unter der weisen und beglückten Regierung unseres theuersten Königes und LandesVaters Friedrich Wilhelm III. ein geruhiges und stilles Leben führen können in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit, dahingegen ander Unterthanen unseres teutschen Vaterlandes bisher die Noth und Last des traurigen Krieges erfahren haben und leider noch erfahren. Möchte doch bald der edle Friede zurückkehren.' Der edle Friede hat aber dann bekanntlich trotz der redlichen Wünsche des biederen Landpfarrers noch recht lange auf sich warten lassen. Der Baseler Friede von 1795, in dem Preußen die Waffen niedergelegt hatte und den Leiner hier so begrüßt, erwies sich auf die Dauer als trügerische Basis. Nur ein Jahrzehnt noch sollten sich die "neutralen Norddeutschen", die übrigens durchweg (selbst ein Goethe) kurzsichtigerweise Leiners bürgerlichgeruhigen Standpunkt teilten, des ungestörten Friedens erfreuen. Dann kam die Franzosenzeit; Ostfriesland wurde französisches Departement, und so wurde wie ebenfalls im Kirchenbuche zu verfolgen ist auch Eggelingen einer Mairie unterstellt. Pastor Leiner hat freilich diese Zeit nicht mehr erlebt; er starb noch Ende Dezember 1805. Aus seiner Jahrhundertpredigt sind noch einige statistische und Personal angaben bemerkenswert, allerdings in erster Linie für den Ortseingesessenen; so ein Verzeichnis der Prediger und Namenslisten der Kirchen und der Armenvorsteher und der Schulmeister des Ortes im 18. Jahrhundert. Getraut sind in dem Jahrhundert nach Leiners Angaben 448 Paare, geboren sind 1.587 Kinder, gestorben 1.365 Personen. Das sind verhältnismäßig sehr hohe Zahlen, die darauf schließen lassen, daß Eggelingen vor 150 bis 200 Jahren etwa doppelt so stark bevölkert gewesen sein muß wie in der Gegenwart (1923). Der Rückgang der Einwohnerzahl ist wohl hauptsächlich durch die in den beiden letzten Jahrzehnten vor dem Weltkrieg sehr starke Abwanderung nach der Stadt (Wilhelmshaven) zu erklären. Ob dieser Rückgang, diese Entfremdung von der Scholle aber in unseren ganzen ländlichen Bezirken in diesem Umfang erfolgt ist? Das gäbe sehr zu denken. Vielleicht gibt einmal ein Statistiker darüber Auskunft. Auf Leiners Amtsnachfolger Gerdes folgt 1825 Pastor Dr. Ruf. Christ. Gittermann, vielleicht der fähigste und vielseitigste Kopf, der unter den Eggelinger Predigern sich überhaupt je befunden hat. Uber Gittermann liegen uns erfreulicher Weise eingehendere Nachrichten vor, und so mag von diesem Mann, der in jeder Weise ein ehrendes Andenken verdient, noch einmal besonders die Rede sein." Dr. Würtenberg verwirklichte sein Vorhaben schon bald und veröffentlichte noch in demselben Jahr 1923 im Anzeiger für Harlingerland den folgenden Artikel: "An der Ostseite der Eggelinger Kirche besagt eine schlichte Grabschrift, daß dort der Dr. Vhil. Gittermann als Pastor zu Eggelingen im Jahre 1848 seine letzte Ruhestätte gefunden habe. Sein Andenken ist wohl zumeist verschollen, aber in einer Zeit, da so mancher Gedenktag gefeiert wird, mag in seinem 75. Todesjahr auch eines Mannes gedacht werden, dessen Wirken ganz in heimatlichem Boden wurzelte und dessen dankbare Würdigung uns zugleich als ein Gebot der Heimatliebe erscheinen will. Gittermann verdient es in jeder Beziehung, daß man sein Gedächtnis festhalte: Als edler Charakter, eine feinsinnige Natur, ein klarer Kopf' und ein rastlos für die Gemeinschaft tätiger Mensch. Sein Lebensbild gemahnt in manchen Zügen an Oliver Goldsmiths "Landprediger von Wakefield", nur daß das englische Idyll gewissermaßen ins Deutsche übersetzt ist, daß ländlich behagliche Zuständlichkeiten zum guten Teil in deutsche geistiggelehrte Tätigkeit verwandelt erscheinen. Über Gittermanns Leben und Wirken sind wir erfreulich gut unterrichtet, hauptsächlich durch eine Selbstbiographie Gittermanns im Eggelinger Kirchenbuch. Er wurde am 29. Februar 1776 als Sohn eines Dunumer Pfarrers geboren. Seinen Unterricht leiteten zunächst der Vater und ein älterer Bruder; später kam er auf die Lateinschule zu Norden, und Ostern 1795 bezog er als Student der Theologie und Philosophie die Universität Halle. Dort gehörte zu seinen Lehrern u. a. der scharfsinnige Homerforscher Fr. Aug. Wolf. Die Befähigung des jungen Gittermann muß schon damals Aufmerksamkeit erregt haben, denn 1797 erhielt er einen ehrenvollen Ruf als Hofmeister und Prinzenerzieher am Dessauer Hofe, eine Stelle, die etwa drei Jahrzehnte zuvor Goethes im ländläufigen wie im guten Sinne merkwürdiger Leipziger Freund Behrisch inne gehabt hatte. Doch lehnte er diesen Ruf ab, um in Ostfriesland seinem alternden Vater bei dessen Amtsgeschäften behilflich zu sein. Im Jahre 1801 promovierte er an der bald darauf eingegangenen Universität Rinteln zum Dr. phil. mit einer lateinischen Dissertation über das Gute und das Böse in der Menschennatur. Von 1808 bis 1813 war Gittermann Pastor zu Resterhafe. Inzwischen war auch für Ostfriesland die Franzosenzeit hereingebrochen, und so wurde denn auch Gittermann durch ein Dekret des Franzosenkaisers Napoleon vom 19. August 1813 nach Dornum versetzt. Da aber die Einkünfte der dortigen Pfarrstelle sehr mäßig waren und zur Ausbildung seiner Kinder nicht ausreichten, so wandte er sich 1825 mit der Bitte um Versetzung an den Kirchenpatron der Herrlichkeit Dornum, Grafen Münster. Graf Münster, bedeutender englischhannoverscher Staatsmann, Chef der deutschen Kanzlei in London und ziemlich unumschränkter Beherrscher des Königreichs Hannover, stand mit Dr. Gittermann im besten Einvernehmen und willfahrte gern seinem Wunsche, indem er ihm im September 1825 die bedeutend einträglichere Pfarrstelle in Eggelingen verschaffte. Soweit die äußeren Daten seines Lebens, die nichts sonderlich Bemerkenswertes enthalten. Von großem Interesse ist es nun aber, wie er es versteht, die engen äußeren Grenzen seines Daseins mit Inhalt zu erfüllen. Werfen wir also einen Blick auf die verschiedenen Kreise, in denen sein Leben und Schaffen verlief und sich auswirkte. Da ist es zunächst die geistliche Amtstätigkeit, die Gittermann mit der größten Gewissenhaftigkeit und Treue versah und die er niemals bei aller Fülle seiner sonstigen Betätigungen irgendwie zurückstehen ließ. Dabei hatte er bei dieser Amtstätigkeit noch mit besonderen Unannehmlichkeiten und Schwierigkeiten zu kämpfen. Lange verbannte ihn der Neubau des Pfarrhauses in eine kleine "Notwohnung". Bald darauf, im November 1837 (oder 18367) stürzte die Eggelinger Kirche bei einem furchtbaren Sturm größtenteils ein, das Innere wurde fast vollkommen zerstört. Zwei ganze Jahre mußte so Gittermann den Gottesdienst in der Schule abhalten. Beim Einsturz der Kirche wurden übrigens interessante Funde gemacht: im Altar eingemauert fand man außer einer Tonpfeife (Maurerscherz7) eine Reliquie aus katholischer Zeit, einen angeblichen Finger des heil. Nikolaus, des Schutzpatrons der Eggelinger Kirche, unter den Trümmern des Daches ein menschliches Skelett. Das letztere mag mutmaßlich aus früheren kriegerischen Zeiten herrühren, in denen die festen Kirchen vielfach zur Verteidigung dienen mußten; da mag denn vielleicht ein Verwundeter unter dem Dach sich vor seinen Feinden versteckt und dort sein Leben geendet haben (Näheres über diese Funde und ihre Bedeutung enthält ein Aufsatz von Konsistorialrat Jahns über die Eggelinger Kirche in dem Kalender " Christophorus " , Jahrgang 1909). Neben dem geistlichen Dienst entfaltete nun aber Gittermann noch eine umfassende schriftstellerische Tätigkeit. Von deren Umfang und Vielseitigkeit wird schon die folgende Zusammenstellung ein gewisses Bild geben: 1. Die Pyramide oder wunderbare Schicksale Bonapartes in den Ruinen von Memphis, 1800 2. Der angenehme und nützliche Gesellschafter, 1801 3. Romantische Darstellungen, 1802 4. Die schöne Blondine, 1803 (Diese ersten vier Schriften sind anonym erschienen.) 5. Die Gleichnisse Jesu oder moralische Erzählungen aus der Bibel, 1803 (auch ins Holländische übersetzt) 6. Die Geschichte Josephs, 1805 7. Der glaubensvolle Aufblick zu Gott in Bedrängten Zeiten, 1807 8. Geographie des französischen Kaiserreichs, 1810 9. Heilige Reden für Geist und Herz, 1816 10. Erstes Religionsbüchlein, 1816 11. Kurze Erdbeschreibung von Deutschland, 1817 12. Drei evangelische Worte, 1821 13. Kleine Geschichte von Ostfriesland, 1823 und 1826 14. Die häusliche Andacht (erschienen bei Mettcker, Jever 1829) 15. Erste Predigt nach dem Einsturz der Kirche von Eggelingen, 1837 16. Die Einweihung der wiederhergestellten Kirche zu Eggelingen, 1839 Ob auch nach 1839 noch Schriften von Gittermann erschienen sind, konnte ich bislang nicht erfahren. Die obige Zusammenstellung der Schriften möchte zugleich einen Appell bedeuten, dieselben, soweit sie noch da und dort in Familien in Ostfriesland und Jeverland vorhanden sind, doch als wichtige Beiträge zur heimatlichen Kulturgeschichte sorgfältig aufzuheben bzw. zu sammeln. In solcher Sammeltätigkeit lägen auch hübsche und dankbare Aufgaben für die Tätigkeit der Heimatvereine, selbstverständlich nicht nur in dem Spezialfall Gi ttermann , sondern ganz allgemein in der Sammlung heimatlichen Schrifttums der Vergangenheit und Gegenwart. Nur eine derartige erfolgreiche Sammeltätigkeit würde es auch ermöglichen, die Summe der ausgedehnten Wirksamkeit Dr. Gittermanns zu ziehen. Denn schon von den angeführten Schriften waren mir nur die wenigsten zugänglich; dabei erschöpft sich aber in diesen Büchern die literarische Tätigkeit Gittermanns bei weitem nicht. Vielmehr war er außerdem noch ständiger wissenschaftlicher Mitarbeiter der Rinteler Theologischen Annalen, der Jahrbücher der Preußischen Monarchie, des Preußischen Volksfreundes, des Westfälischen Anzeigers von Dr. Mallinkrodt, der Iris, der Kritischen Bibliothek von Dr. Seebode, des Magazins für christliche Prediger, des Hannoverschen Magazins, der gemeinnützigen Nachrichten für Ostfriesland, der Mitteilungen des Gartenbauvereins Hannover, des Museums für Theologie und Literatur, der Gemeinnützigen Blätter für Hannover, der Allgemeinen Kirchenzeitung, des Jahrbuchs der häuslichen Andacht von Prof. Vater, der Allgemeinen Enzyklopädie der Wissenschaften und Künste (in der er die Abteilungen Ostfriesische Geschichte, Geographie und Biographie übernahm), ferner noch der Selitha von Dr. Friederich, des Jahrbüchleins von Dr. Büren, der Auricher (später Ostfriesischen) Zeitung und noch verschiedener anderer Zeitungen und Zeitschriften. Das erweist doch jedenfalls eine ganz erstaunlich vielseitige und ausgedehnte Tätigkeit. Leider ist es nicht möglich, hier auf Einzelheiten einzugehen. Nur soviel möchte ich, soweit ich mir aus den mir vorliegenden Schriften ein Urteil erlauben darf, als charakteristisch für dieselben feststellen: daß sie gekennzeichnet sind durch einen innerlich frommen, doch toleranten, einen etwas nüchternen, aber immer klaren, moralisch tüchtigen und praktisch tätigen Rationalismus. Gittermann erscheint als einer der sehr notwendigen Vermittler, die die geistige Kultur ihrer Zeit in zahlreichen Kanälen, etwas (aber nicht in üblem Sinne) verflacht und verständlicher gemacht, weiteren Kreisen des Volkes zugänglich machen. Seine Schriften müssen übrigens recht verbreitet gewesen sein, wenigstens habe ich selbst in Berliner Bibliotheken verschiedene Exemplare vorgefunden. Damit ist aber immer noch kein vollständiges Bild des wackeren Mannes gegeben. Es blieb ihm immer noch überschüssige Kraft genug, um daneben in seinem Hause ein Erziehungsinstitut "für Knaben und Jünglinge honetter Eltern" zu leiten. Und es ist bezeichnend genug für Erfolge und Ruf dieses Instituts, daß bald nicht nur aus Ostfriesland, Oldenburg und dem ganzen hannoverschen Lande, sondern selbst aus Holland und Norwegen sich Schüler einfanden. Aber auch diese Seite, Gittermann als Pädagoge, kann das Bild noch nicht abschließen. Er war vielmehr auch noch durchaus kein vertrockneter Bücherwurm, sondern, in kleinerem Maßstab Schleiermacher vergleichbar, ein Virtuos edler Geselligkeit, der sein Dörfchen zum Mittelpunkt eines dauernden Verkehrs und geistigen Austausches mit geistig angeregten Männern aus Jever und Wittmund zu machen verstand. Dabei war der gelehrte Mann erfüllt von einer warmen Liebe zur Natur, und auch diese Liebe mußte seinem ganzen Wesen entsprechend sich ins Praktische wenden. So war er, wie auch sein Enkel Rudolf Eucken erzählt, ein ausgezeichneter Baumzüchter. Und noch heute sind die Bäume, die rings den Eggelinger Friedhof umgrenzen, und die wundervollen alten Kastanien und Linden des Pfarrgartens lebendige Spuren seiner Wirksamkeit ... " Soweit der etwas gekürzte Aufsatz von Dr. Gustav Würtenberg über Pastor Dr. Gittermann in Eggelingen. Es leben nur noch wenig Eggelinger, die sich persönlich an Pastor Beckmann erinnern können, der hier bis 1918 lebte und wirkte. Er soll ein besonders gottesfürchtiger Kirchenmann gewesen sein, der sein Amt außergewöhnlich ernst nahm und die ihm anvertrauten Konfirmanden mit großer Liebe und Güte den christlichen Glauben lehrte. Die Erinnerung an Pastor Behnen ist noch lebendiger, denn es leben noch viele, die während seiner Amtszeit den Konfirmandenunterricht besuchten und durch ihn konfirmiert wurden. Wenn es sein mußte, setzte er sich mit großer Strenge durch, war aber beliebt und volkstümlich und sprach mit den Dorfbewohnern meistens platt. Die kleinen Kinder nannten ihn vielfach "Unkel Pastor". Zu Ostern wurden in der Pastorei große Mengen Eier gefärbt, die an die Kinder verteilt wurden. Unvergessen sind auch die Adventsfeiern, zu denen die Kinder der Gemeinde am Abend des ersten Advent in das Pastorenhaus eingeladen wurden. Hier durften sie dann in einem festlich hergerichteten Raum Weihnachtsgeschichten hören und wurden anschließend mit Kakao bewirtet. Pastor Behnen machte Anfang der dreißiger Jahre seine Fahrten zur Stadt noch mit Pferd und Wagen. Mit seinem Sulky und seinem schnellen Pferd konnte er fast so schnell wie ein Radfahrer Wittmund erreichen. Die Amtszeit des Pastors Behnen fiel zum Teil in die NS-Zeit, während welcher die Kirche einen schweren Stand hatte. Pastor Behnen hat sich damals angeblich kritisch zu den sogenannten "Nürnberger Gesetzen" geäußert. Er starb im Frühjahr 1939 noch vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges. Vielleicht sind ihm durch seinen frühen Tod gefährliche Auseinandersetzungen mit den damaligen Machthabern erspart geblieben. Während des zweiten Weltkrieges blieb die hiesige Pfarrstelle unbesetzt. In der Pastorei wohnten Privatfamilien. Pastor Otto und Pastor Köhler, die beide aus Sachsen stammten und durch die Nachkriegsverhältnisse nach hier verschlagen worden waren, blieben beide nicht lange. Pastor Otto hatte eine kirchliche Jugendgruppe gegründet, die erstmals zu Weihnachten Krippenspiele aufführte. Jedoch erst durch Pastor Bartsch und Pastor Seewald, die immerhin hier 8 bzw. 16 Jahre wirkten, ergab sich wieder eine Beständigkeit in der Kirchenarbeit. Nach der Pensionierung Pastor Seewalds war das Pfarrhaus wieder einige Jahre unbewohnt. Es wurde sogar befürchtet, daß die Kirchengemeinde Eggelingen ihre Selbständigkeit verlieren sollte. Durch eine Eingabe an die zuständigen Kirchenbehörden, die von vielen Eggelingern unterschrieben wurde, konnte das jedoch verhindert werden. Seit 1980 ist Dieter Herten Pastor in Eggelingen. Dem Kirchenvorstand gehören zur Zeit an Heidi Becker, Hanna Eschen (Tomma Jürgens als Stellvertreterin), Martin Reents und Bernhard Siemens. Die Kirchenarbeit wird unterstützt durch den Frauenkreis, der noch zur Zeit Pastor Seewalds gegründet wurde. Eine besondere Bereicherung ist für unsere Gemeinde der 1989 gegründete Posaunenchor, der es in kurzer Zeit zu beachtlichen musikalischen Leistungen gebracht hat und der inzwischen auf annähernd 30 Mitglieder angewachsen ist. Er erfreut seine Zuhörer durch seine Darbietungen nicht nur bei kirchlichen Anlässen, sondern wirkt, wie der Kindersing und spielkreis, auch bei anderen Veranstaltungen mit. Vorsitzender des Posaunenchores ist Otto Burchards, Greehörn. Und nun noch etwas über die Inneneinrichtung der Kirche: Uber den Glockenguß von 1830 und über die Wiederherstellung der Orgel nach den schweren Sturmschäden von 1836 haben wir schon an anderer Stelle geschrieben. Wenn man die Kirche betritt, fällt der Blick auf den im östlichen Bereich des Kirchenraumes auf einem Podest stehenden Altar, ein Zierat unserer Kirche. Er wurde 1666 gestiftet. Die Namen der Stifter findet man auf einer Holztafel, die an der Nordwand hängt. Der Abendmahlskelch und eine Patene (eine flache Schale für die Hostien) stammen aus dem Jahre 1699. Der mit reichlichen Schnitzereien verzierte Altar enthält drei Gemälde, nämlich von heiligen Abendmahl und von der Kreuzigung und Grablegung Christi. Die zu beiden Seiten angebrachten Figuren stellen die vier Evangelisten Mathäus, Markus, Lukas und Johannes dar. Oben steht der siegreiche Christus über der Schlange als dem Zeichen des Todes und über dem Höllendrachen. Die ebenfalls reichlich geschnitzte Kanzel befindet sich an der Südwand. Der Schalldeckel ist mit einem Kreuz verziert. Nach Beendigung der Renovierungsarbeiten 1838 wurde eine Kirchenstuhlordnung eingeführt. Zu jedem Haus und jedem Gehöft gehörten bestimmte Sitzplätze, die gekauft werden mußten. Umschreibungen waren ebenfalls zu bezahlen. In der Eggelinger Kirche befinden sich unten 50 Bankreihen mit je sechs Plätzen. 28 Bankreihen waren für Männer und 22 für Frauen reserviert. Die Kirchenbesucher saßen also getrennt nach Geschlechtern, eine Regelung, die heute nur noch wenig Beachtung findet. Auf dem Orgelboden befinden sich 4 weitere Bankreihen mit je 4 Sitzplätzen. Zum Erhalt und zur Modernisierung des Jahrhunderte alten Kirchengebäudes waren immer wieder erhebliche Aufwendungen notwendig. Das Eingangsportal zum Friedhof wurde 1877 errichtet, ist mithin erheblich jüngeren Datums als die Kirche selbst. Erst nach 1945, es muß zur Zeit Pastor Ottos gewesen sein, wurde die Kirche an das öffentliche Stromnetz angeschlossen. Die nunmehr installierte elektrische Beleuchtung ist zwar praktisch, verbreitet jedoch bei abendlichen Gottesdiensten nicht die feierliche Atmosphäre, die man aus früheren Zeiten kannte. Aber die herrlichen Kerzenkronleuchter, die den Mittelgang der Kirche geziert hatten, waren ja der Kriegswirtschaft zum Opfer gefallen; denn sie mußten abgegeben werden, weil sie aus Bronze oder Messing waren, jedenfalls aus einem Metall, das der Waffen und Munitionsproduktion diente. Mit dem Stromanschluß konnte nun auch die Außenbeleuchtung vom Friedhofsportal bis zum Kircheneingang erneuert und mit elektrischen Lampen versehen werden. Die alten Laternenpfähle, an denen früher Petroleumlampen (oder waren es Kerzenleuchten?) angebracht wurden, konnten entfernt werden. Auf alten Fotografien sind sie noch zu sehen. Und eine weitere Neuerung wurde eingeführt: Die Luftzufuhr zur Orgel und das Läuten der Kirchenglocke wurden nunmehr elektrisch betrieben. Edi Harms, der vorher die Bälge der Orgel getreten und die Glocke per Hand zum Läuten gebracht hatte, verlor diese Ämter und war gar nicht glücklich darüber. Auf einer Fahrradtour entdeckte Pastor Köhler auf dem Hof von Arian Meents in Greehorn einen alten Taufstein. Dieser ist wahrscheinlich nach dem Einsturz der Kirche mit dem Trümmergut nach dort gelangt. Pastor Köhler sorgte dafür, daß der Stein wieder seinen Platz in der Kirche fand. Man nimmt an, daß der Stein so alt ist wie die Kirche selbst. In den siebziger Jahren wurde das Kirchendach neu eingedeckt, und zum Schutz des Mauerwerks wurden Regenrinnen angebracht. 1980 wurden Sitzkissen für alle Bankreihen angeschafft. 1983 wurden an den Außenwänden bis zur Bankhöhe Vertäfelungen angebracht, weil immer wieder Salpeter Putzund Farbe der Wände beeinträchtigt. Als besonders angenehme Bereicherung empfanden die Kirchenbesucher den Einbau einer Heizungsanlage, die von der Firma Hinrichs in Blersum für 23.237,26 DM installiert wurde. Am 2. Adevent 1984 fand der Gottesdienst erstmals in der beheizten Kirche statt. Das Kirchenstövchen, das vorher von Kirchenbesuchern oft mitgebracht wurde, hatte ausgedient. "Der schiefe Turm wird aufgerichtet." Unter dieser Oberschrift erschien ein Bericht im Anzeiger für Harlingerland, als 1989 mit der umfangreichen Sanierung des Glockenturms begonnen worden war. In dem Zeitungsartikel heißt es dann: "Ihre Kirche halten die Eggelinger in Ehren, ihren schiefen Turm ganz besonders. In diesem Sinne wäre ein örtlicher Aufstand zu befürchten gewesen, hätte die Landeskirche die seit langem notwendige Grundsanierung des Glockenturmes verweigert und stattdessen einen Neubau verlangt. Der wäre sicherlich preiswerter gekommen. Aber der Denkmalschutz rettete den schiefen Turm vor der Spitzhacke. Mit 200.000 DM sind die umfangreichen Reparaturarbeiten veranschlagt worden, die zum Glück für die kleine Kirchengemeinde gänzlich von der Landeskirche getragen werden .. Wie alt Kirche und Glockenturm sind, darüber "streiten sich die Gelehrten", wie sich Pastor Dieter Herten hierzu ausdrückt. Irgendwann während des 13. Jahrhunderts wäre jedoch ein Errichtungsdatum anzunehmen. Und so habe der Glockenturm doch ein recht beachtliches Alter vorzuweisen. Seit wann sich das Gemäuer dem Erdboden zuneigt, ist ebenso unbekannt. Auf den ältesten existierenden Fotos ist die Schieflage jedoch bereits deutlich zu erkennen. Deswegen auch hätte mancher im Ort vor Beginn der Sanierung befürchtet, sollte erst einmal der Efeu zurückgeschnitten sein, würde das Bauwerk ohnehin zusammenstürzen. Das geschah zwar nicht. Doch so frei von Bewuchs, muß sich jeder, der in den letzten Jahren den Turm bestieg, im Nachhinein wie ein Stuntman vorkommen. Geläutet wurde zuletzt nur noch selten und allenfalls bis zu drei Minuten. Wann die Glocke wieder frisch erklingen darf, ist jetzt aber noch nicht absehbar. Gehofft wird auf den Mai, denn Trauungen stehen an. Eine Anmerkung am Rande: In Gesprächen der Eggelinger zur Turmsanierung wurde übrigens gefrotzelt, das ganze Bauwerk könne ruhig ein bißchen höher werden. Dann könne man sich aus Jever endlich wieder eine im 16. Jahrhundert aus dem Ort gestohlene Glocke wiederholen. Die Marienstädter müßten dann allerdings auf ihr Marienleuten verzichten." Die Sanierung des Turmes wurde 1990 abgeschlossen. Die Kosten beliefen sich auf 203.778,35 DM. Man hat allerdings darauf verzichtet, ihn wieder aufzurichten. Der Turm hat also seine schiefe Lage behalten. Um zu vermeiden, daß der Turm in eine noch schiefere Lage gerät, wurden die Fundamente verstärkt. Das Mauerwerk wurde mit früheren Maßen angepaßten Klinkern teilweise erneuert. Weitgehend erneuert wurden auch das Dachgebälk und die Glockenaufhängung. Bei dem Einweihungsgottesdienst konnte die Glocke entsprechend der geltenden Läuteordnung wieder voll ertönen. Die 71. Ausgabe (April-Mai 1991) der Zeitschrift "MIT'Nanner", herausgegeben von den evangelischen Kirchengemeinden Wittmund-Eggelingen, enthält eine gute Nachricht für Eggelingen: Die Landeskirche Hannover hat "grünes" Licht gegeben für die Renovierung unserer alten, ehrwürdigen Skt. Georgskirche. Für diese Renovierungsarbeiten werden 250.000 DM in Aussicht gestellt. Mit großer Freude hat der Kirchenvorstand diese gute Nachricht zur Kenntnis genommen. Vorbei sind die Zeiten, in denen geplant war, unsere alte Kirche abzuschreiben. Wir sind sehr dankbar, daß nach der Turmrenovierung nun auch die Kirche dran ist. Wir wollen unsere kirchlichen Gebäude erhalten für uns und die nachfolgenden Generationen. Der Baubeginn ist für 1992 vorgesehen. "Herr, ich habe lieb die Stätte Deines Hauses und den Ort, da Deine Ehre wohnt." Uber das Alter der Eggelinger Kirche werden in dieser Chronik unterschiedliche Vermutungen angestellt. Johann Onnen erwähnt Urkunden aus den Jahren 1124 und 1190 und meint, vielleicht sei schon damals die jetzt noch bestehende Kirche vorhanden gewesen. In dem Buch über die Einwohner des Alten Amtes Wittmund von Heyko und Eva Heyken heißt es, sie stamme aus dem 14. Jahrhundert. H. Schütte meint in seinem Aufsatz über die Entstehung der Harlebucht, keine der Kirchen dieses Bereichs sei älter als 500 Jahre. In welchen Jahren die Kirche tatsächlich gebaut wurde, werden wir wohl nicht erfahren.Gittermann als Pädagoge, kann das Bild noch nicht abschließen. Er war vielmehr auch noch durchaus kein vertrockneter Bücherwurm, sondern, in kleinerem Maßstab Schleiermacher vergleichbar, ein Virtuos edler Geselligkeit, der sein Dörfchen zum Mittelpunkt eines dauernden Verkehrs und geistigen Austausches mit geistig angeregten Männern aus Jever und Wittmund zu machen verstand. Dabei war der gelehrte Mann erfüllt von einer warmen Liebe zur Natur, und auch diese Liebe mußte seinem ganzen Wesen entsprechend sich ins Praktische wenden. So war er, wie auch sein Enkel Rudolf Eucken erzählt, ein ausgezeichneter Baumzüchter. Und noch heute sind die Bäume, die rings den Eggelinger Friedhof umgrenzen, und die wundervollen alten Kastanien und Linden des Pfarrgartens lebendige Spuren seiner Wirksamkeit ... " Soweit der etwas gekürzte Aufsatz von Dr. Gustav Würtenberg über Pastor Dr. Gittermann in Eggelingen. Es leben nur noch wenig Eggelinger, die sich persönlich an Pastor Beckmann erinnern können, der hier bis 1918 lebte und wirkte. Er soll ein besonders gottesfürchtiger Kirchenmann gewesen sein, der sein Amt außergewöhnlich ernst nahm und die ihm anvertrauten Konfirmanden mit großer Liebe und Güte den christlichen Glauben lehrte. Die Erinnerung an Pastor Behnen ist noch lebendiger, denn es leben noch viele, die während seiner Amtszeit den Konfirmandenunterricht besuchten und durch ihn konfirmiert wurden. Wenn es sein mußte, setzte er sich mit großer Strenge durch, war aber beliebt und volkstümlich und sprach mit den Dorfbewohnern meistens platt. Die kleinen Kinder nannten ihn vielfach "Unkel Pastor". Zu Ostern wurden in der Pastorei große Mengen Eier gefärbt, die an die Kinder verteilt wurden. Unvergessen sind auch die Adventsfeiern, zu denen die Kinder der Gemeinde am Abend des ersten Advent in das Pastorenhaus eingeladen wurden. Hier durften sie dann in einem festlich hergerichteten Raum Weihnachtsgeschichten hören und wurden anschließend mit Kakao bewirtet. Pastor Behnen machte Anfang der dreißiger Jahre seine Fahrten zur Stadt noch mit Pferd und Wagen. Mit seinem Sulky und seinem schnellen Pferd konnte er fast so schnell wie ein Radfahrer Wittmund erreichen. Die Amtszeit des Pastors Behnen fiel zum Teil in die NS-Zeit, während welcher die Kirche einen schweren Stand hatte. Pastor Behnen hat sich damals angeblich kritisch zu den sogenannten "Nürnberger Gesetzen" geäußert. Er starb im Frühjahr 1939 noch vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges. Vielleicht sind ihm durch seinen frühen Tod gefährliche Auseinandersetzungen mit den damaligen Machthabern erspart geblieben. Während des zweiten Weltkrieges blieb die hiesige Pfarrstelle unbesetzt. In der Pastorei wohnten Privatfamilien. Pastor Otto und Pastor Köhler, die beide aus Sachsen stammten und durch die Nachkriegsverhältnisse nach hier verschlagen worden waren, blieben beide nicht lange. Pastor Otto hatte eine kirchliche Jugendgruppe gegründet, die erstmals zu Weihnachten Krippenspiele aufführte. Jedoch erst durch Pastor Bartsch und Pastor Seewald, die immerhin hier 8 bzw. 16 Jahre wirkten, ergab sich wieder eine Beständigkeit in der Kirchenarbeit. Nach der Pensionierung Pastor Seewalds war das Pfarrhaus wieder einige Jahre unbewohnt. Es wurde sogar befürchtet, daß die Kirchengemeinde Eggelingen ihre Selbständigkeit verlieren sollte. Durch eine Eingabe an die zuständigen Kirchenbehörden, die von vielen Eggelingern unterschrieben wurde, konnte das jedoch verhindert werden. Seit 1980 ist Dieter Herten Pastor in Eggelingen. Dem Kirchenvorstand gehören zur Zeit an Heidi Becker, Hanna Eschen (Tomma Jürgens als Stellvertreterin), Martin Reents und Bernhard Siemens. Die Kirchenarbeit wird unterstützt durch den Frauenkreis, der noch zur Zeit Pastor Seewalds gegründet wurde. Eine besondere Bereicherung ist für unsere Gemeinde der 1989 gegründete Posaunenchor, der es in kurzer Zeit zu beachtlichen musikalischen Leistungen gebracht hat und der inzwischen auf annähernd 30 Mitglieder angewachsen ist. Er erfreut seine Zuhörer durch seine Darbietungen nicht nur bei kirchlichen Anlässen, sondern wirkt, wie der Kindersing und spielkreis, auch bei anderen Veranstaltungen mit. Vorsitzender des Posaunenchores ist Otto Burchards, Greehörn. Und nun noch etwas über die Inneneinrichtung der Kirche: Uber den Glockenguß von 1830 und über die Wiederherstellung der Orgel nach den schweren Sturmschäden von 1836 haben wir schon an anderer Stelle geschrieben. Wenn man die Kirche betritt, fällt der Blick auf den im östlichen Bereich des Kirchenraumes auf einem Podest stehenden Altar, ein Zierat unserer Kirche. Er wurde 1666 gestiftet. Die Namen der Stifter findet man auf einer Holztafel, die an der Nordwand hängt. Der Abendmahlskelch und eine Patene (eine flache Schale für die Hostien) stammen aus dem Jahre 1699. Der mit reichlichen Schnitzereien verzierte Altar enthält drei Gemälde, nämlich von heiligen Abendmahl und von der Kreuzigung und Grablegung Christi. Die zu beiden Seiten angebrachten Figuren stellen die vier Evangelisten Mathäus, Markus, Lukas und Johannes dar. Oben steht der siegreiche Christus über der Schlange als dem Zeichen des Todes und über dem Höllendrachen. Die ebenfalls reichlich geschnitzte Kanzel befindet sich an der Südwand. Der Schalldeckel ist mit einem Kreuz verziert. Nach Beendigung der Renovierungsarbeiten 1838 wurde eine Kirchenstuhlordnung eingeführt. Zu jedem Haus und jedem Gehöft gehörten bestimmte Sitzplätze, die gekauft werden mußten. Umschreibungen waren ebenfalls zu bezahlen. In der Eggelinger Kirche befinden sich unten 50 Bankreihen mit je sechs Plätzen. 28 Bankreihen waren für Männer und 22 für Frauen reserviert. Die Kirchenbesucher saßen also getrennt nach Geschlechtern, eine Regelung, die heute nur noch wenig Beachtung findet. Auf dem Orgelboden befinden sich 4 weitere Bankreihen mit je 4 Sitzplätzen. Zum Erhalt und zur Modernisierung des Jahrhunderte alten Kirchengebäudes waren immer wieder erhebliche Aufwendungen notwendig. Das Eingangsportal zum Friedhof wurde 1877 errichtet, ist mithin erheblich jüngeren Datums als die Kirche selbst. Erst nach 1945, es muß zur Zeit Pastor Ottos gewesen sein, wurde die Kirche an das öffentliche Stromnetz angeschlossen. Die nunmehr installierte elektrische Beleuchtung ist zwar praktisch, verbreitet jedoch bei abendlichen Gottesdiensten nicht die feierliche Atmosphäre, die man aus früheren Zeiten kannte. Aber die herrlichen Kerzenkronleuchter, die den Mittelgang der Kirche geziert hatten, waren ja der Kriegswirtschaft zum Opfer gefallen; denn sie mußten abgegeben werden, weil sie aus Bronze oder Messing waren, jedenfalls aus einem Metall, das der Waffen und Munitionsproduktion diente. Mit dem Stromanschluß konnte nun auch die Außenbeleuchtung vom Friedhofsportal bis zum Kircheneingang erneuert und mit elektrischen Lampen versehen werden. Die alten Laternenpfähle, an denen früher Petroleumlampen (oder waren es Kerzenleuchten?) angebracht wurden, konnten entfernt werden. Auf alten Fotografien sind sie noch zu sehen. Und eine weitere Neuerung wurde eingeführt: Die Luftzufuhr zur Orgel und das Läuten der Kirchenglocke wurden nunmehr elektrisch betrieben. Edi Harms, der vorher die Bälge der Orgel getreten und die Glocke per Hand zum Läuten gebracht hatte, verlor diese Ämter und war gar nicht glücklich darüber. Auf einer Fahrradtour entdeckte Pastor Köhler auf dem Hof von Arian Meents in Greehorn einen alten Taufstein. Dieser ist wahrscheinlich nach dem Einsturz der Kirche mit dem Trümmergut nach dort gelangt. Pastor Köhler sorgte dafür, daß der Stein wieder seinen Platz in der Kirche fand. Man nimmt an, daß der Stein so alt ist wie die Kirche selbst. In den siebziger Jahren wurde das Kirchendach neu eingedeckt, und zum Schutz des Mauerwerks wurden Regenrinnen angebracht. 1980 wurden Sitzkissen für alle Bankreihen angeschafft. 1983 wurden an den Außenwänden bis zur Bankhöhe Vertäfelungen angebracht, weil immer wieder Salpeter Putzund Farbe der Wände beeinträchtigt. Als besonders angenehme Bereicherung empfanden die Kirchenbesucher den Einbau einer Heizungsanlage, die von der Firma Hinrichs in Blersum für 23.237,26 DM installiert wurde. Am 2. Adevent 1984 fand der Gottesdienst erstmals in der beheizten Kirche statt. Das Kirchenstövchen, das vorher von Kirchenbesuchern oft mitgebracht wurde, hatte ausgedient. "Der schiefe Turm wird aufgerichtet." Unter dieser Oberschrift erschien ein Bericht im Anzeiger für Harlingerland, als 1989 mit der umfangreichen Sanierung des Glockenturms begonnen worden war. In dem Zeitungsartikel heißt es dann: "Ihre Kirche halten die Eggelinger in Ehren, ihren schiefen Turm ganz besonders. In diesem Sinne wäre ein örtlicher Aufstand zu befürchten gewesen, hätte die Landeskirche die seit langem notwendige Grundsanierung des Glockenturmes verweigert und stattdessen einen Neubau verlangt. Der wäre sicherlich preiswerter gekommen. Aber der Denkmalschutz rettete den schiefen Turm vor der Spitzhacke. Mit 200.000 DM sind die umfangreichen Reparaturarbeiten veranschlagt worden, die zum Glück für die kleine Kirchengemeinde gänzlich von der Landeskirche getragen werden .. Wie alt Kirche und Glockenturm sind, darüber "streiten sich die Gelehrten", wie sich Pastor Dieter Herten hierzu ausdrückt. Irgendwann während des 13. Jahrhunderts wäre jedoch ein Errichtungsdatum anzunehmen. Und so habe der Glockenturm doch ein recht beachtliches Alter vorzuweisen. Seit wann sich das Gemäuer dem Erdboden zuneigt, ist ebenso unbekannt. Auf den ältesten existierenden Fotos ist die Schieflage jedoch bereits deutlich zu erkennen. Deswegen auch hätte mancher im Ort vor Beginn der Sanierung befürchtet, sollte erst einmal der Efeu zurückgeschnitten sein, würde das Bauwerk ohnehin zusammenstürzen. Das geschah zwar nicht. Doch so frei von Bewuchs, muß sich jeder, der in den letzten Jahren den Turm bestieg, im Nachhinein wie ein Stuntman vorkommen. Geläutet wurde zuletzt nur noch selten und allenfalls bis zu drei Minuten. Wann die Glocke wieder frisch erklingen darf, ist jetzt aber noch nicht absehbar. Gehofft wird auf den Mai, denn Trauungen stehen an. Eine Anmerkung am Rande: In Gesprächen der Eggelinger zur Turmsanierung wurde übrigens gefrotzelt, das ganze Bauwerk könne ruhig ein bißchen höher werden. Dann könne man sich aus Jever endlich wieder eine im 16. Jahrhundert aus dem Ort gestohlene Glocke wiederholen. Die Marienstädter müßten dann allerdings auf ihr Marienleuten verzichten." Die Sanierung des Turmes wurde 1990 abgeschlossen. Die Kosten beliefen sich auf 203.778,35 DM. Man hat allerdings darauf verzichtet, ihn wieder aufzurichten. Der Turm hat also seine schiefe Lage behalten. Um zu vermeiden, daß der Turm in eine noch schiefere Lage gerät, wurden die Fundamente verstärkt. Das Mauerwerk wurde mit früheren Maßen angepaßten Klinkern teilweise erneuert. Weitgehend erneuert wurden auch das Dachgebälk und die Glockenaufhängung. Bei dem Einweihungsgottesdienst konnte die Glocke entsprechend der geltenden Läuteordnung wieder voll ertönen. Die 71. Ausgabe (April-Mai 1991) der Zeitschrift "MIT'Nanner", herausgegeben von den evangelischen Kirchengemeinden Wittmund-Eggelingen, enthält eine gute Nachricht für Eggelingen: Die Landeskirche Hannover hat "grünes" Licht gegeben für die Renovierung unserer alten, ehrwürdigen Skt. Georgskirche. Für diese Renovierungsarbeiten werden 250.000 DM in Aussicht gestellt. Mit großer Freude hat der Kirchenvorstand diese gute Nachricht zur Kenntnis genommen. Vorbei sind die Zeiten, in denen geplant war, unsere alte Kirche abzuschreiben. Wir sind sehr dankbar, daß nach der Turmrenovierung nun auch die Kirche dran ist. Wir wollen unsere kirchlichen Gebäude erhalten für uns und die nachfolgenden Generationen. Der Baubeginn ist für 1992 vorgesehen. "Herr, ich habe lieb die Stätte Deines Hauses und den Ort, da Deine Ehre wohnt." Uber das Alter der Eggelinger Kirche werden in dieser Chronik unterschiedliche Vermutungen angestellt. Johann Onnen erwähnt Urkunden aus den Jahren 1124 und 1190 und meint, vielleicht sei schon damals die jetzt noch bestehende Kirche vorhanden gewesen. In dem Buch über die Einwohner des Alten Amtes Wittmund von Heyko und Eva Heyken heißt es, sie stamme aus dem 14. Jahrhundert. H. Schütte meint in seinem Aufsatz über die Entstehung der Harlebucht, keine der Kirchen dieses Bereichs sei älter als 500 Jahre. In welchen Jahren die Kirche tatsächlich gebaut wurde, werden wir wohl nicht erfahren.
Historisches