Ortschaft in Ostfriesland, seit 1237
DIE KIRCHENGEMEINDE EGGELINGEN 2
Mit der Eggelinger Kirchengeschichte befaßte sich auch Dr. Gustav Würtenberg, ein Sohn des damaligen Lehrers
Würtenberg, in einer Ausgabe des Anzeigers für Harlingerland aus dem Jahre 1923. Unter der Uberschrift "Aus alten
Kirchenbüchern" schreibt Dr. Würtenberg u.a.:
"Sommerurlaub auf dem Lande. Es regnet wieder einmal. Oder besser, immer noch, seit langen Wochen. Man ergibt
sich schon mit stoischem Gleichmut drein. Wat kannst dr an maken? Aber ein unbehaglicher Zustand ist's doch. Der
Weltlauf und der Gang der großen Politik können die Laune auch nicht gerade erheitern. Da flüchtet man zu alten
Folianten aus dem Pfarrarchiv (die Herr Pastor Behnen freundlich zur Verfügung stellte) und blättert einmal nach, wie
es vor alten Zeiten im Heimatdörfchen ausgesehen.
Und die alten Blätter beginnen zu reden. Bis ins 16. Jahrhundert gehen, dürftig genug zunächst, die ältesten
Nachrichten zurück, etwas breiter schon fließt die Uberlieferung im 17. Jahrhundert, zur Zeit des dreißigjährigen
Krieges. Aber auch da noch sind es wesentlich etliche Daten über die Prediger, 'da zu Egeling geleret haben'.
Eigenartig, wie sich der Geist der Zeiten selbst in einem stillen Dörfchen widerspiegelt. Da nennen sich die
Eggelinger Geistlichen nicht mehr Focken und Heinen, sondern nach berühmten Mustern und nach der Sitte der Zeit
latinisiert "Foccius" und "Heinaeus". Der letztgenannte Heinaeus, der hier 1658 starb, war auch sonst ein echter Sohn
des 17. Jahrhunderts und der altprotestantischen Theologengeneration, die oft ihre beste Kraft in Lehrstreitigkeiten
vergeudete und oft vom lebendigen Gotteswort nur noch den starren Buchstaben in der Hand behielt. So hat auch
Pastor Heinaeus einige schwer gelehrte Werke, natürlich in lateinischer Sprache, der Nachwelt zu Nutz und Frommen
hinterlassen, eine "Dissertatio des sacramento baptismi" und eine "Diss. de signo et signato". Wohl dem, der sie
nicht zu lesen braucht!
Die Zeiten wandeln sich. Die altprotestantische Orthodoxie wird durch die Aufklärung des 18. Jahrhunderts abgelöst.
Auch diese hat in Eggelingen einen typischen Vertreter gefunden, den Pastor Bernhard Peter Karl. Es muß ein recht
streitbarer Herr gewesen sein, der seine Uberzeugung in einer ganzen Reihe von Schriften verfocht und von der
kirchlichen Behörde zeitweise sogar seines Amtes entsetzt wurde. Wen es gelüsten sollte, der möge Näheres über
Karl nachlesen im 2. Bande von Ritschels berühmter "Geschichte des Pietismus" (S. 338 ff.).
Es hat also doch offenbar reges geistiges Interesse in Eggelingen gelebt. Auch sonst haben sich noch verschiedene
Eggelinger Pfarrer literarisch betätigt, so z. B. Diderich Ludewig Goedeken, der 1762 eine "Nähere Erklärung des
Briefes Jakobi" herausgab. Goedekens Amtsnachfolger Gerhard Julius Leiner (dessen Nachkommen noch in
Schmackens und Scheep leben) hat uns eine in mancher Hinsicht interessante Jahrhundertpredigt aus dem Jahre
1800 hinterlassen: "Einige merkwürdige Begebenheiten des 18. Jahrhunderts". Nach einer Ubersicht über die
Geschichte des preußischen Königshauses im 18. Jahrhundert kommt Leiner auf örtliche Begebenheiten zu
sprechen:
'Im Jahre 1717 um Weihnachten brachen die wilden Fluthen des Meeres durch Deich und Dämme, und im Jahre 1718
und 1720 um Neujahr stellten sich abermals heftige Fluthen ein, welches um so viel leichter geschehen konnte, weil
es nicht möglich war, nach der ersten Weihnachtsfluth die Deiche in gehörigen dauerhaften Stand zu setzen. Man
kann ohne Schauder nicht lesen, was für entsetzlicher Schaden durch solche Fluthen geschehen und wieviel 1000
Menschen dabei unglücklich geworden. ... Diese unsere Gemeinde ist noch insoweit glücklich dabei gewesen, indem
in der Hauptfluth um Weihnachten nur 27 Häuser beschädigt, 17 Rinder, 4 Pferde, 2 Schafe und 13 Schweine
ertrunken, kein Mensch aber darinnen sein Leben eingebüßet hat. Dahingegen in unserer Nachbarschaft, als
Beerdum und Funnix, wohl 350 Menschen ihr Leben verloren und sehr vielen ihr Hab und Gut den Wellen des Meeres
zur Raube geworden und nebst dem Verlust ihrer Häuser auch eine sehr große Menge Vieh allerlei Art verlohren
haben.'
Bei der furchtbaren Weihnachtsflut von 1717, unter das ganz besonders Funnix so schwer gelitten hat, scheint
demnach den Eggelingern die Anlage des Ortes auf zwei großen Warfen zur Rettung geworden zu sein. Dahin mögen
bei hereinbrechender Flut wie vor den Deichbauten zur Zeit der alten Chauken tagtäglich beim Wechsel der Gezeiten
die Einwohner geflüchtet sein.
Es folgt dann ein Exkurs über den Tod des letzten ostfriesischen Fürsten Karl Edzard und über Friedrich den Großen
und den siebenjährigen Krieg. Dann fährt Leiner fort: 'Je näher wir aber dem Ende des vorigen Jahrhunderts kamen,
je heftiger brach abermals, wegen der Regierungsveränderung in Frankreich, ein Krieg aus, worinnen zwar anfänglich
das Preußische Haus mit verwickelt war, woraus es sich aber glücklich zum Besten seiner Unterthanen
herausgezogen hat, so daß wir, Gott Dank, bis hierzu unter der weisen und beglückten Regierung unseres theuersten
Königes und LandesVaters Friedrich Wilhelm III. ein geruhiges und stilles Leben führen können in aller Gottseligkeit
und Ehrbarkeit, dahingegen ander Unterthanen unseres teutschen Vaterlandes bisher die Noth und Last des traurigen
Krieges erfahren haben und leider noch erfahren. Möchte doch bald der edle Friede zurückkehren.'
Der edle Friede hat aber dann bekanntlich trotz der redlichen Wünsche des biederen Landpfarrers noch recht lange
auf sich warten lassen. Der Baseler Friede von 1795, in dem Preußen die Waffen niedergelegt hatte und den Leiner
hier so begrüßt, erwies sich auf die Dauer als trügerische Basis. Nur ein Jahrzehnt noch sollten sich die "neutralen
Norddeutschen", die übrigens durchweg (selbst ein Goethe) kurzsichtigerweise Leiners bürgerlichgeruhigen
Standpunkt teilten, des ungestörten Friedens erfreuen. Dann kam die Franzosenzeit; Ostfriesland wurde
französisches Departement, und so wurde wie ebenfalls im Kirchenbuche zu verfolgen ist auch Eggelingen einer
Mairie unterstellt.
Pastor Leiner hat freilich diese Zeit nicht mehr erlebt; er starb noch Ende Dezember 1805. Aus seiner
Jahrhundertpredigt sind noch einige statistische und Personal angaben bemerkenswert, allerdings in erster Linie für
den Ortseingesessenen; so ein Verzeichnis der Prediger und Namenslisten der Kirchen und der Armenvorsteher und
der Schulmeister des Ortes im 18. Jahrhundert. Getraut sind in dem Jahrhundert nach Leiners Angaben 448 Paare,
geboren sind 1.587 Kinder, gestorben 1.365 Personen. Das sind verhältnismäßig sehr hohe Zahlen, die darauf
schließen lassen, daß Eggelingen vor 150 bis 200 Jahren etwa doppelt so stark bevölkert gewesen sein muß wie in
der Gegenwart (1923). Der Rückgang der Einwohnerzahl ist wohl hauptsächlich durch die in den beiden letzten
Jahrzehnten vor dem Weltkrieg sehr starke Abwanderung nach der Stadt (Wilhelmshaven) zu erklären. Ob dieser
Rückgang, diese Entfremdung von der Scholle aber in unseren ganzen ländlichen Bezirken in diesem Umfang erfolgt
ist? Das gäbe sehr zu denken. Vielleicht gibt einmal ein Statistiker darüber Auskunft.
Auf Leiners Amtsnachfolger Gerdes folgt 1825 Pastor Dr. Ruf. Christ. Gittermann, vielleicht der fähigste und
vielseitigste Kopf, der unter den Eggelinger Predigern sich überhaupt je befunden hat. Uber Gittermann liegen uns
erfreulicher Weise eingehendere Nachrichten vor, und so mag von diesem Mann, der in jeder Weise ein ehrendes
Andenken verdient, noch einmal besonders die Rede sein."
Dr. Würtenberg verwirklichte sein Vorhaben schon bald und veröffentlichte noch in demselben Jahr 1923 im Anzeiger
für Harlingerland den folgenden Artikel:
"An der Ostseite der Eggelinger Kirche besagt eine schlichte Grabschrift, daß dort der Dr. Vhil. Gittermann als Pastor
zu Eggelingen im Jahre 1848 seine letzte Ruhestätte gefunden habe. Sein Andenken ist wohl zumeist verschollen,
aber in einer Zeit, da so mancher Gedenktag gefeiert wird, mag in seinem 75. Todesjahr auch eines Mannes gedacht
werden, dessen Wirken ganz in heimatlichem Boden wurzelte und dessen dankbare Würdigung uns zugleich als ein
Gebot der Heimatliebe erscheinen will. Gittermann verdient es in jeder Beziehung, daß man sein Gedächtnis festhalte:
Als edler Charakter, eine feinsinnige Natur, ein klarer Kopf' und ein rastlos für die Gemeinschaft tätiger Mensch. Sein
Lebensbild gemahnt in manchen Zügen an Oliver Goldsmiths "Landprediger von Wakefield", nur daß das englische
Idyll gewissermaßen ins Deutsche übersetzt ist, daß ländlich behagliche Zuständlichkeiten zum guten Teil in
deutsche geistiggelehrte Tätigkeit verwandelt erscheinen.
Über Gittermanns Leben und Wirken sind wir erfreulich gut unterrichtet, hauptsächlich durch eine Selbstbiographie
Gittermanns im Eggelinger Kirchenbuch. Er wurde am 29. Februar 1776 als Sohn eines Dunumer Pfarrers geboren.
Seinen Unterricht leiteten zunächst der Vater und ein älterer Bruder; später kam er auf die Lateinschule zu Norden,
und Ostern 1795 bezog er als Student der Theologie und Philosophie die Universität Halle. Dort gehörte zu seinen
Lehrern u. a. der scharfsinnige Homerforscher Fr. Aug. Wolf. Die Befähigung des jungen Gittermann muß schon
damals Aufmerksamkeit erregt haben, denn 1797 erhielt er einen ehrenvollen Ruf als Hofmeister und Prinzenerzieher
am Dessauer Hofe, eine Stelle, die etwa drei Jahrzehnte zuvor Goethes im ländläufigen wie im guten Sinne
merkwürdiger Leipziger Freund Behrisch inne gehabt hatte. Doch lehnte er diesen Ruf ab, um in Ostfriesland seinem
alternden Vater bei dessen Amtsgeschäften behilflich zu sein. Im Jahre 1801 promovierte er an der bald darauf
eingegangenen Universität Rinteln zum Dr. phil. mit einer lateinischen Dissertation über das Gute und das Böse in der
Menschennatur.
Von 1808 bis 1813 war Gittermann Pastor zu Resterhafe. Inzwischen war auch für Ostfriesland die Franzosenzeit
hereingebrochen, und so wurde denn auch Gittermann durch ein Dekret des Franzosenkaisers Napoleon vom 19.
August 1813 nach Dornum versetzt. Da aber die Einkünfte der dortigen Pfarrstelle sehr mäßig waren und zur
Ausbildung seiner Kinder nicht ausreichten, so wandte er sich 1825 mit der Bitte um Versetzung an den
Kirchenpatron der Herrlichkeit Dornum, Grafen Münster. Graf Münster, bedeutender englischhannoverscher
Staatsmann, Chef der deutschen Kanzlei in London und ziemlich unumschränkter Beherrscher des Königreichs
Hannover, stand mit Dr. Gittermann im besten Einvernehmen und willfahrte gern seinem Wunsche, indem er ihm im
September 1825 die bedeutend einträglichere Pfarrstelle in Eggelingen verschaffte.
Soweit die äußeren Daten seines Lebens, die nichts sonderlich Bemerkenswertes enthalten. Von großem Interesse ist
es nun aber, wie er es versteht, die engen äußeren Grenzen seines Daseins mit Inhalt zu erfüllen. Werfen wir also
einen Blick auf die verschiedenen Kreise, in denen sein Leben und Schaffen verlief und sich auswirkte.
Da ist es zunächst die geistliche Amtstätigkeit, die Gittermann mit der größten Gewissenhaftigkeit und Treue versah
und die er niemals bei aller Fülle seiner sonstigen Betätigungen irgendwie zurückstehen ließ. Dabei hatte er bei
dieser Amtstätigkeit noch mit besonderen Unannehmlichkeiten und Schwierigkeiten zu kämpfen. Lange verbannte
ihn der Neubau des Pfarrhauses in eine kleine "Notwohnung". Bald darauf, im November 1837 (oder 18367) stürzte
die Eggelinger Kirche bei einem furchtbaren Sturm größtenteils ein, das Innere wurde fast vollkommen zerstört. Zwei
ganze Jahre mußte so Gittermann den Gottesdienst in der Schule abhalten. Beim Einsturz der Kirche wurden
übrigens interessante Funde gemacht: im Altar eingemauert fand man außer einer Tonpfeife (Maurerscherz7) eine
Reliquie aus katholischer Zeit, einen angeblichen Finger des heil. Nikolaus, des Schutzpatrons der Eggelinger Kirche,
unter den Trümmern des Daches ein menschliches Skelett. Das letztere mag mutmaßlich aus früheren kriegerischen
Zeiten herrühren, in denen die festen Kirchen vielfach zur Verteidigung dienen mußten; da mag denn vielleicht ein
Verwundeter unter dem Dach sich vor seinen Feinden versteckt und dort sein Leben geendet haben (Näheres über
diese Funde und ihre Bedeutung enthält ein Aufsatz von Konsistorialrat Jahns über die Eggelinger Kirche in dem
Kalender " Christophorus " , Jahrgang 1909).
Neben dem geistlichen Dienst entfaltete nun aber Gittermann noch eine umfassende schriftstellerische Tätigkeit. Von
deren Umfang und Vielseitigkeit wird schon die folgende Zusammenstellung ein gewisses Bild geben:
1. Die Pyramide oder wunderbare Schicksale Bonapartes in den Ruinen von Memphis, 1800
2. Der angenehme und nützliche Gesellschafter, 1801
3. Romantische Darstellungen, 1802
4. Die schöne Blondine, 1803
(Diese ersten vier Schriften sind anonym erschienen.)
5. Die Gleichnisse Jesu oder moralische Erzählungen aus der Bibel, 1803 (auch ins Holländische übersetzt)
6. Die Geschichte Josephs, 1805
7. Der glaubensvolle Aufblick zu Gott in Bedrängten Zeiten, 1807
8. Geographie des französischen Kaiserreichs, 1810
9. Heilige Reden für Geist und Herz, 1816
10. Erstes Religionsbüchlein, 1816
11. Kurze Erdbeschreibung von Deutschland, 1817
12. Drei evangelische Worte, 1821
13. Kleine Geschichte von Ostfriesland, 1823 und 1826
14. Die häusliche Andacht (erschienen bei Mettcker, Jever 1829)
15. Erste Predigt nach dem Einsturz der Kirche von Eggelingen, 1837
16. Die Einweihung der wiederhergestellten Kirche zu Eggelingen, 1839
Ob auch nach 1839 noch Schriften von Gittermann erschienen sind, konnte ich bislang nicht erfahren. Die obige
Zusammenstellung der Schriften möchte zugleich einen Appell bedeuten, dieselben, soweit sie noch da und dort in
Familien in Ostfriesland und Jeverland vorhanden sind, doch als wichtige Beiträge zur heimatlichen Kulturgeschichte
sorgfältig aufzuheben bzw. zu sammeln. In solcher Sammeltätigkeit lägen auch hübsche und dankbare Aufgaben für
die Tätigkeit der Heimatvereine, selbstverständlich nicht nur in dem Spezialfall Gi ttermann , sondern ganz allgemein
in der Sammlung heimatlichen Schrifttums der Vergangenheit und Gegenwart. Nur eine derartige erfolgreiche
Sammeltätigkeit würde es auch ermöglichen, die Summe der ausgedehnten Wirksamkeit Dr. Gittermanns zu ziehen.
Denn schon von den angeführten Schriften waren mir nur die wenigsten zugänglich; dabei erschöpft sich aber in
diesen Büchern die literarische Tätigkeit Gittermanns bei weitem nicht. Vielmehr war er außerdem noch ständiger
wissenschaftlicher Mitarbeiter der Rinteler Theologischen Annalen, der Jahrbücher der Preußischen Monarchie, des
Preußischen Volksfreundes, des Westfälischen Anzeigers von Dr. Mallinkrodt, der Iris, der Kritischen Bibliothek von
Dr. Seebode, des Magazins für christliche Prediger, des Hannoverschen Magazins, der gemeinnützigen Nachrichten
für Ostfriesland, der Mitteilungen des Gartenbauvereins Hannover, des Museums für Theologie und Literatur, der
Gemeinnützigen Blätter für Hannover, der Allgemeinen Kirchenzeitung, des Jahrbuchs der häuslichen Andacht von
Prof. Vater, der Allgemeinen Enzyklopädie der Wissenschaften und Künste (in der er die Abteilungen Ostfriesische
Geschichte, Geographie und Biographie übernahm), ferner noch der Selitha von Dr. Friederich, des Jahrbüchleins
von Dr. Büren, der Auricher (später Ostfriesischen) Zeitung und noch verschiedener anderer Zeitungen und
Zeitschriften. Das erweist doch jedenfalls eine ganz erstaunlich vielseitige und ausgedehnte Tätigkeit. Leider ist es
nicht möglich, hier auf Einzelheiten einzugehen. Nur soviel möchte ich, soweit ich mir aus den mir vorliegenden
Schriften ein Urteil erlauben darf, als charakteristisch für dieselben feststellen: daß sie gekennzeichnet sind durch
einen innerlich frommen, doch toleranten, einen etwas nüchternen, aber immer klaren, moralisch tüchtigen und
praktisch tätigen Rationalismus. Gittermann erscheint als einer der sehr notwendigen Vermittler, die die geistige
Kultur ihrer Zeit in zahlreichen Kanälen, etwas (aber nicht in üblem Sinne) verflacht und verständlicher gemacht,
weiteren Kreisen des Volkes zugänglich machen. Seine Schriften müssen übrigens recht verbreitet gewesen sein,
wenigstens habe ich selbst in Berliner Bibliotheken verschiedene Exemplare vorgefunden.
Damit ist aber immer noch kein vollständiges Bild des wackeren Mannes gegeben. Es blieb ihm immer noch
überschüssige Kraft genug, um daneben in seinem Hause ein Erziehungsinstitut "für Knaben und Jünglinge honetter
Eltern" zu leiten. Und es ist bezeichnend genug für Erfolge und Ruf dieses Instituts, daß bald nicht nur aus
Ostfriesland, Oldenburg und dem ganzen hannoverschen Lande, sondern selbst aus Holland und Norwegen sich
Schüler einfanden.
Aber auch diese Seite, Gittermann als Pädagoge, kann das Bild noch nicht abschließen. Er war vielmehr auch noch
durchaus kein vertrockneter Bücherwurm, sondern, in kleinerem Maßstab Schleiermacher vergleichbar, ein Virtuos
edler Geselligkeit, der sein Dörfchen zum Mittelpunkt eines dauernden Verkehrs und geistigen Austausches mit
geistig angeregten Männern aus Jever und Wittmund zu machen verstand.
Dabei war der gelehrte Mann erfüllt von einer warmen Liebe zur Natur, und auch diese Liebe mußte seinem ganzen
Wesen entsprechend sich ins Praktische wenden. So war er, wie auch sein Enkel Rudolf Eucken erzählt, ein
ausgezeichneter Baumzüchter. Und noch heute sind die Bäume, die rings den Eggelinger Friedhof umgrenzen, und
die wundervollen alten Kastanien und Linden des Pfarrgartens lebendige Spuren seiner Wirksamkeit ... "
Soweit der etwas gekürzte Aufsatz von Dr. Gustav Würtenberg über Pastor Dr. Gittermann in Eggelingen.
Es leben nur noch wenig Eggelinger, die sich persönlich an Pastor Beckmann erinnern können, der hier bis 1918
lebte und wirkte. Er soll ein besonders gottesfürchtiger Kirchenmann gewesen sein, der sein Amt außergewöhnlich
ernst nahm und die ihm anvertrauten Konfirmanden mit großer Liebe und Güte den christlichen Glauben lehrte.
Die Erinnerung an Pastor Behnen ist noch lebendiger, denn es leben noch viele, die während seiner Amtszeit den
Konfirmandenunterricht besuchten und durch ihn konfirmiert wurden. Wenn es sein mußte, setzte er sich mit großer
Strenge durch, war aber beliebt und volkstümlich und sprach mit den Dorfbewohnern meistens platt. Die kleinen
Kinder nannten ihn vielfach "Unkel Pastor". Zu Ostern wurden in der Pastorei große Mengen Eier gefärbt, die an die
Kinder verteilt wurden. Unvergessen sind auch die Adventsfeiern, zu denen die Kinder der Gemeinde am Abend des
ersten Advent in das Pastorenhaus eingeladen wurden. Hier durften sie dann in einem festlich hergerichteten Raum
Weihnachtsgeschichten hören und wurden anschließend mit Kakao bewirtet.
Pastor Behnen machte Anfang der dreißiger Jahre seine Fahrten zur Stadt noch mit Pferd und Wagen. Mit seinem
Sulky und seinem schnellen Pferd konnte er fast so schnell wie ein Radfahrer Wittmund erreichen.
Die Amtszeit des Pastors Behnen fiel zum Teil in die NS-Zeit, während welcher die Kirche einen schweren Stand hatte.
Pastor Behnen hat sich damals angeblich kritisch zu den sogenannten "Nürnberger Gesetzen" geäußert. Er starb im
Frühjahr 1939 noch vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges. Vielleicht sind ihm durch seinen frühen Tod gefährliche
Auseinandersetzungen mit den damaligen Machthabern erspart geblieben.
Während des zweiten Weltkrieges blieb die hiesige Pfarrstelle unbesetzt. In der Pastorei wohnten Privatfamilien.
Pastor Otto und Pastor Köhler, die beide aus Sachsen stammten und durch die Nachkriegsverhältnisse nach hier
verschlagen worden waren, blieben beide nicht lange. Pastor Otto hatte eine kirchliche Jugendgruppe gegründet, die
erstmals zu Weihnachten Krippenspiele aufführte. Jedoch erst durch Pastor Bartsch und Pastor Seewald, die
immerhin hier 8 bzw. 16 Jahre wirkten, ergab sich wieder eine Beständigkeit in der Kirchenarbeit.
Nach der Pensionierung Pastor Seewalds war das Pfarrhaus wieder einige Jahre unbewohnt. Es wurde sogar
befürchtet, daß die Kirchengemeinde Eggelingen ihre Selbständigkeit verlieren sollte. Durch eine Eingabe an die
zuständigen Kirchenbehörden, die von vielen Eggelingern unterschrieben wurde, konnte das jedoch verhindert
werden.
Seit 1980 ist Dieter Herten Pastor in Eggelingen. Dem Kirchenvorstand gehören zur Zeit an Heidi Becker, Hanna
Eschen (Tomma Jürgens als Stellvertreterin), Martin Reents und Bernhard Siemens. Die Kirchenarbeit wird
unterstützt durch den Frauenkreis, der noch zur Zeit Pastor Seewalds gegründet wurde. Eine besondere
Bereicherung ist für unsere Gemeinde der 1989 gegründete Posaunenchor, der es in kurzer Zeit zu beachtlichen
musikalischen Leistungen gebracht hat und der inzwischen auf annähernd 30 Mitglieder angewachsen ist. Er erfreut
seine Zuhörer durch seine Darbietungen nicht nur bei kirchlichen Anlässen, sondern wirkt, wie der Kindersing und
spielkreis, auch bei anderen Veranstaltungen mit. Vorsitzender des Posaunenchores ist Otto Burchards, Greehörn.
Und nun noch etwas über die Inneneinrichtung der Kirche:
Uber den Glockenguß von 1830 und über die Wiederherstellung der Orgel nach den schweren Sturmschäden von
1836 haben wir schon an anderer Stelle geschrieben.
Wenn man die Kirche betritt, fällt der Blick auf den im östlichen Bereich des Kirchenraumes auf einem Podest
stehenden Altar, ein Zierat unserer Kirche. Er wurde 1666 gestiftet. Die Namen der Stifter findet man auf einer
Holztafel, die an der Nordwand hängt. Der Abendmahlskelch und eine Patene (eine flache Schale für die Hostien)
stammen aus dem Jahre 1699.
Der mit reichlichen Schnitzereien verzierte Altar enthält drei Gemälde, nämlich von heiligen Abendmahl und von der
Kreuzigung und Grablegung Christi. Die zu beiden Seiten angebrachten Figuren stellen die vier Evangelisten
Mathäus, Markus, Lukas und Johannes dar. Oben steht der siegreiche Christus über der Schlange als dem Zeichen
des Todes und über dem Höllendrachen. Die ebenfalls reichlich geschnitzte Kanzel befindet sich an der Südwand. Der
Schalldeckel ist mit einem Kreuz verziert.
Nach Beendigung der Renovierungsarbeiten 1838 wurde eine Kirchenstuhlordnung eingeführt. Zu jedem Haus und
jedem Gehöft gehörten bestimmte Sitzplätze, die gekauft werden mußten. Umschreibungen waren ebenfalls zu
bezahlen. In der Eggelinger Kirche befinden sich unten 50 Bankreihen mit je sechs Plätzen. 28 Bankreihen waren für
Männer und 22 für Frauen reserviert. Die Kirchenbesucher saßen also getrennt nach Geschlechtern, eine Regelung,
die heute nur noch wenig Beachtung findet. Auf dem Orgelboden befinden sich 4 weitere Bankreihen mit je 4
Sitzplätzen.
Zum Erhalt und zur Modernisierung des Jahrhunderte alten Kirchengebäudes waren immer wieder erhebliche
Aufwendungen notwendig. Das Eingangsportal zum Friedhof wurde 1877 errichtet, ist mithin erheblich jüngeren
Datums als die Kirche selbst.
Erst nach 1945, es muß zur Zeit Pastor Ottos gewesen sein, wurde die Kirche an das öffentliche Stromnetz
angeschlossen. Die nunmehr installierte elektrische Beleuchtung ist zwar praktisch, verbreitet jedoch bei
abendlichen Gottesdiensten nicht die feierliche Atmosphäre, die man aus früheren Zeiten kannte. Aber die herrlichen
Kerzenkronleuchter, die den Mittelgang der Kirche geziert hatten, waren ja der Kriegswirtschaft zum Opfer gefallen;
denn sie mußten abgegeben werden, weil sie aus Bronze oder Messing waren, jedenfalls aus einem Metall, das der
Waffen und Munitionsproduktion diente.
Mit dem Stromanschluß konnte nun auch die Außenbeleuchtung vom Friedhofsportal bis zum Kircheneingang
erneuert und mit elektrischen Lampen versehen werden. Die alten Laternenpfähle, an denen früher Petroleumlampen
(oder waren es Kerzenleuchten?) angebracht wurden, konnten entfernt werden. Auf alten Fotografien sind sie noch
zu sehen.
Und eine weitere Neuerung wurde eingeführt: Die Luftzufuhr zur Orgel und das Läuten der Kirchenglocke wurden
nunmehr elektrisch betrieben. Edi Harms, der vorher die Bälge der Orgel getreten und die Glocke per Hand zum
Läuten gebracht hatte, verlor diese Ämter und war gar nicht glücklich darüber.
Auf einer Fahrradtour entdeckte Pastor Köhler auf dem Hof von Arian Meents in Greehorn einen alten Taufstein.
Dieser ist wahrscheinlich nach dem Einsturz der Kirche mit dem Trümmergut nach dort gelangt. Pastor Köhler sorgte
dafür, daß der Stein wieder seinen Platz in der Kirche fand. Man nimmt an, daß der Stein so alt ist wie die Kirche
selbst.
In den siebziger Jahren wurde das Kirchendach neu eingedeckt, und zum Schutz des Mauerwerks wurden
Regenrinnen angebracht. 1980 wurden Sitzkissen für alle Bankreihen angeschafft. 1983 wurden an den Außenwänden
bis zur Bankhöhe Vertäfelungen angebracht, weil immer wieder Salpeter Putzund Farbe der Wände beeinträchtigt.
Als besonders angenehme Bereicherung empfanden die Kirchenbesucher den Einbau einer Heizungsanlage, die von
der Firma Hinrichs in Blersum für 23.237,26 DM installiert wurde. Am 2. Adevent 1984 fand der Gottesdienst erstmals
in der beheizten Kirche statt. Das Kirchenstövchen, das vorher von Kirchenbesuchern oft mitgebracht wurde, hatte
ausgedient.
"Der schiefe Turm wird aufgerichtet." Unter dieser Oberschrift erschien ein Bericht im Anzeiger für Harlingerland, als
1989 mit der umfangreichen Sanierung des Glockenturms begonnen worden war. In dem Zeitungsartikel heißt es
dann: "Ihre Kirche halten die Eggelinger in Ehren, ihren schiefen Turm ganz besonders. In diesem Sinne wäre ein
örtlicher Aufstand zu befürchten gewesen, hätte die Landeskirche die seit langem notwendige Grundsanierung des
Glockenturmes verweigert und stattdessen einen Neubau verlangt. Der wäre sicherlich preiswerter gekommen. Aber
der Denkmalschutz rettete den schiefen Turm vor der Spitzhacke. Mit 200.000 DM sind die umfangreichen
Reparaturarbeiten veranschlagt worden, die zum Glück für die kleine Kirchengemeinde gänzlich von der
Landeskirche getragen werden ..
Wie alt Kirche und Glockenturm sind, darüber "streiten sich die Gelehrten", wie sich Pastor Dieter Herten hierzu
ausdrückt. Irgendwann während des 13. Jahrhunderts wäre jedoch ein Errichtungsdatum anzunehmen. Und so habe
der Glockenturm doch ein recht beachtliches Alter vorzuweisen.
Seit wann sich das Gemäuer dem Erdboden zuneigt, ist ebenso unbekannt. Auf den ältesten existierenden Fotos ist
die Schieflage jedoch bereits deutlich zu erkennen. Deswegen auch hätte mancher im Ort vor Beginn der Sanierung
befürchtet, sollte erst einmal der Efeu zurückgeschnitten sein, würde das Bauwerk ohnehin zusammenstürzen. Das
geschah zwar nicht. Doch so frei von Bewuchs, muß sich jeder, der in den letzten Jahren den Turm bestieg, im
Nachhinein wie ein Stuntman vorkommen.
Geläutet wurde zuletzt nur noch selten und allenfalls bis zu drei Minuten. Wann die Glocke wieder frisch erklingen
darf, ist jetzt aber noch nicht absehbar. Gehofft wird auf den Mai, denn Trauungen stehen an.
Eine Anmerkung am Rande: In Gesprächen der Eggelinger zur Turmsanierung wurde übrigens gefrotzelt, das ganze
Bauwerk könne ruhig ein bißchen höher werden. Dann könne man sich aus Jever endlich wieder eine im 16.
Jahrhundert aus dem Ort gestohlene Glocke wiederholen. Die Marienstädter müßten dann allerdings auf ihr
Marienleuten verzichten."
Die Sanierung des Turmes wurde 1990 abgeschlossen. Die Kosten beliefen sich auf 203.778,35 DM. Man hat
allerdings darauf verzichtet, ihn wieder aufzurichten. Der Turm hat also seine schiefe Lage behalten. Um zu
vermeiden, daß der Turm in eine noch schiefere Lage gerät, wurden die Fundamente verstärkt. Das Mauerwerk wurde
mit früheren Maßen angepaßten Klinkern teilweise erneuert. Weitgehend erneuert wurden auch das Dachgebälk und
die Glockenaufhängung. Bei dem Einweihungsgottesdienst konnte die Glocke entsprechend der geltenden
Läuteordnung wieder voll ertönen.
Die 71. Ausgabe (April-Mai 1991) der Zeitschrift "MIT'Nanner", herausgegeben von den evangelischen
Kirchengemeinden Wittmund-Eggelingen, enthält eine gute Nachricht für Eggelingen: Die Landeskirche Hannover hat
"grünes" Licht gegeben für die Renovierung unserer alten, ehrwürdigen Skt. Georgskirche. Für diese
Renovierungsarbeiten werden 250.000 DM in Aussicht gestellt. Mit großer Freude hat der Kirchenvorstand diese gute
Nachricht zur Kenntnis genommen. Vorbei sind die Zeiten, in denen geplant war, unsere alte Kirche abzuschreiben.
Wir sind sehr dankbar, daß nach der Turmrenovierung nun auch die Kirche dran ist. Wir wollen unsere kirchlichen
Gebäude erhalten für uns und die nachfolgenden Generationen. Der Baubeginn ist für 1992 vorgesehen. "Herr, ich
habe lieb die Stätte Deines Hauses und den Ort, da Deine Ehre wohnt."
Uber das Alter der Eggelinger Kirche werden in dieser Chronik unterschiedliche Vermutungen angestellt. Johann
Onnen erwähnt Urkunden aus den Jahren 1124 und 1190 und meint, vielleicht sei schon damals die jetzt noch
bestehende Kirche vorhanden gewesen.
In dem Buch über die Einwohner des Alten Amtes Wittmund von Heyko und Eva Heyken heißt es, sie stamme aus
dem 14. Jahrhundert.
H. Schütte meint in seinem Aufsatz über die Entstehung der Harlebucht, keine der Kirchen dieses Bereichs sei älter
als 500 Jahre.
In welchen Jahren die Kirche tatsächlich gebaut wurde, werden wir wohl nicht erfahren.Gittermann als Pädagoge,
kann das Bild noch nicht abschließen. Er war vielmehr auch noch durchaus kein vertrockneter Bücherwurm, sondern,
in kleinerem Maßstab Schleiermacher vergleichbar, ein Virtuos edler Geselligkeit, der sein Dörfchen zum Mittelpunkt
eines dauernden Verkehrs und geistigen Austausches mit geistig angeregten Männern aus Jever und Wittmund zu
machen verstand.
Dabei war der gelehrte Mann erfüllt von einer warmen Liebe zur Natur, und auch diese Liebe mußte seinem ganzen
Wesen entsprechend sich ins Praktische wenden. So war er, wie auch sein Enkel Rudolf Eucken erzählt, ein
ausgezeichneter Baumzüchter. Und noch heute sind die Bäume, die rings den Eggelinger Friedhof umgrenzen, und
die wundervollen alten Kastanien und Linden des Pfarrgartens lebendige Spuren seiner Wirksamkeit ... "
Soweit der etwas gekürzte Aufsatz von Dr. Gustav Würtenberg über Pastor Dr. Gittermann in Eggelingen.
Es leben nur noch wenig Eggelinger, die sich persönlich an Pastor Beckmann erinnern können, der hier bis 1918
lebte und wirkte. Er soll ein besonders gottesfürchtiger Kirchenmann gewesen sein, der sein Amt außergewöhnlich
ernst nahm und die ihm anvertrauten Konfirmanden mit großer Liebe und Güte den christlichen Glauben lehrte.
Die Erinnerung an Pastor Behnen ist noch lebendiger, denn es leben noch viele, die während seiner Amtszeit den
Konfirmandenunterricht besuchten und durch ihn konfirmiert wurden. Wenn es sein mußte, setzte er sich mit großer
Strenge durch, war aber beliebt und volkstümlich und sprach mit den Dorfbewohnern meistens platt. Die kleinen
Kinder nannten ihn vielfach "Unkel Pastor". Zu Ostern wurden in der Pastorei große Mengen Eier gefärbt, die an die
Kinder verteilt wurden. Unvergessen sind auch die Adventsfeiern, zu denen die Kinder der Gemeinde am Abend des
ersten Advent in das Pastorenhaus eingeladen wurden. Hier durften sie dann in einem festlich hergerichteten Raum
Weihnachtsgeschichten hören und wurden anschließend mit Kakao bewirtet.
Pastor Behnen machte Anfang der dreißiger Jahre seine Fahrten zur Stadt noch mit Pferd und Wagen. Mit seinem
Sulky und seinem schnellen Pferd konnte er fast so schnell wie ein Radfahrer Wittmund erreichen.
Die Amtszeit des Pastors Behnen fiel zum Teil in die NS-Zeit, während welcher die Kirche einen schweren Stand hatte.
Pastor Behnen hat sich damals angeblich kritisch zu den sogenannten "Nürnberger Gesetzen" geäußert. Er starb im
Frühjahr 1939 noch vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges. Vielleicht sind ihm durch seinen frühen Tod gefährliche
Auseinandersetzungen mit den damaligen Machthabern erspart geblieben.
Während des zweiten Weltkrieges blieb die hiesige Pfarrstelle unbesetzt. In der Pastorei wohnten Privatfamilien.
Pastor Otto und Pastor Köhler, die beide aus Sachsen stammten und durch die Nachkriegsverhältnisse nach hier
verschlagen worden waren, blieben beide nicht lange. Pastor Otto hatte eine kirchliche Jugendgruppe gegründet, die
erstmals zu Weihnachten Krippenspiele aufführte. Jedoch erst durch Pastor Bartsch und Pastor Seewald, die
immerhin hier 8 bzw. 16 Jahre wirkten, ergab sich wieder eine Beständigkeit in der Kirchenarbeit.
Nach der Pensionierung Pastor Seewalds war das Pfarrhaus wieder einige Jahre unbewohnt. Es wurde sogar
befürchtet, daß die Kirchengemeinde Eggelingen ihre Selbständigkeit verlieren sollte. Durch eine Eingabe an die
zuständigen Kirchenbehörden, die von vielen Eggelingern unterschrieben wurde, konnte das jedoch verhindert
werden.
Seit 1980 ist Dieter Herten Pastor in Eggelingen. Dem Kirchenvorstand gehören zur Zeit an Heidi Becker, Hanna
Eschen (Tomma Jürgens als Stellvertreterin), Martin Reents und Bernhard Siemens. Die Kirchenarbeit wird
unterstützt durch den Frauenkreis, der noch zur Zeit Pastor Seewalds gegründet wurde. Eine besondere
Bereicherung ist für unsere Gemeinde der 1989 gegründete Posaunenchor, der es in kurzer Zeit zu beachtlichen
musikalischen Leistungen gebracht hat und der inzwischen auf annähernd 30 Mitglieder angewachsen ist. Er erfreut
seine Zuhörer durch seine Darbietungen nicht nur bei kirchlichen Anlässen, sondern wirkt, wie der Kindersing und
spielkreis, auch bei anderen Veranstaltungen mit. Vorsitzender des Posaunenchores ist Otto Burchards, Greehörn.
Und nun noch etwas über die Inneneinrichtung der Kirche:
Uber den Glockenguß von 1830 und über die Wiederherstellung der Orgel nach den schweren Sturmschäden von
1836 haben wir schon an anderer Stelle geschrieben.
Wenn man die Kirche betritt, fällt der Blick auf den im östlichen Bereich des Kirchenraumes auf einem Podest
stehenden Altar, ein Zierat unserer Kirche. Er wurde 1666 gestiftet. Die Namen der Stifter findet man auf einer
Holztafel, die an der Nordwand hängt. Der Abendmahlskelch und eine Patene (eine flache Schale für die Hostien)
stammen aus dem Jahre 1699.
Der mit reichlichen Schnitzereien verzierte Altar enthält drei Gemälde, nämlich von heiligen Abendmahl und von der
Kreuzigung und Grablegung Christi. Die zu beiden Seiten angebrachten Figuren stellen die vier Evangelisten
Mathäus, Markus, Lukas und Johannes dar. Oben steht der siegreiche Christus über der Schlange als dem Zeichen
des Todes und über dem Höllendrachen. Die ebenfalls reichlich geschnitzte Kanzel befindet sich an der Südwand. Der
Schalldeckel ist mit einem Kreuz verziert.
Nach Beendigung der Renovierungsarbeiten 1838 wurde eine Kirchenstuhlordnung eingeführt. Zu jedem Haus und
jedem Gehöft gehörten bestimmte Sitzplätze, die gekauft werden mußten. Umschreibungen waren ebenfalls zu
bezahlen. In der Eggelinger Kirche befinden sich unten 50 Bankreihen mit je sechs Plätzen. 28 Bankreihen waren für
Männer und 22 für Frauen reserviert. Die Kirchenbesucher saßen also getrennt nach Geschlechtern, eine Regelung,
die heute nur noch wenig Beachtung findet. Auf dem Orgelboden befinden sich 4 weitere Bankreihen mit je 4
Sitzplätzen.
Zum Erhalt und zur Modernisierung des Jahrhunderte alten Kirchengebäudes waren immer wieder erhebliche
Aufwendungen notwendig. Das Eingangsportal zum Friedhof wurde 1877 errichtet, ist mithin erheblich jüngeren
Datums als die Kirche selbst.
Erst nach 1945, es muß zur Zeit Pastor Ottos gewesen sein, wurde die Kirche an das öffentliche Stromnetz
angeschlossen. Die nunmehr installierte elektrische Beleuchtung ist zwar praktisch, verbreitet jedoch bei
abendlichen Gottesdiensten nicht die feierliche Atmosphäre, die man aus früheren Zeiten kannte. Aber die herrlichen
Kerzenkronleuchter, die den Mittelgang der Kirche geziert hatten, waren ja der Kriegswirtschaft zum Opfer gefallen;
denn sie mußten abgegeben werden, weil sie aus Bronze oder Messing waren, jedenfalls aus einem Metall, das der
Waffen und Munitionsproduktion diente.
Mit dem Stromanschluß konnte nun auch die Außenbeleuchtung vom Friedhofsportal bis zum Kircheneingang
erneuert und mit elektrischen Lampen versehen werden. Die alten Laternenpfähle, an denen früher Petroleumlampen
(oder waren es Kerzenleuchten?) angebracht wurden, konnten entfernt werden. Auf alten Fotografien sind sie noch
zu sehen.
Und eine weitere Neuerung wurde eingeführt: Die Luftzufuhr zur Orgel und das Läuten der Kirchenglocke wurden
nunmehr elektrisch betrieben. Edi Harms, der vorher die Bälge der Orgel getreten und die Glocke per Hand zum
Läuten gebracht hatte, verlor diese Ämter und war gar nicht glücklich darüber.
Auf einer Fahrradtour entdeckte Pastor Köhler auf dem Hof von Arian Meents in Greehorn einen alten Taufstein.
Dieser ist wahrscheinlich nach dem Einsturz der Kirche mit dem Trümmergut nach dort gelangt. Pastor Köhler sorgte
dafür, daß der Stein wieder seinen Platz in der Kirche fand. Man nimmt an, daß der Stein so alt ist wie die Kirche
selbst.
In den siebziger Jahren wurde das Kirchendach neu eingedeckt, und zum Schutz des Mauerwerks wurden
Regenrinnen angebracht. 1980 wurden Sitzkissen für alle Bankreihen angeschafft. 1983 wurden an den Außenwänden
bis zur Bankhöhe Vertäfelungen angebracht, weil immer wieder Salpeter Putzund Farbe der Wände beeinträchtigt.
Als besonders angenehme Bereicherung empfanden die Kirchenbesucher den Einbau einer Heizungsanlage, die von
der Firma Hinrichs in Blersum für 23.237,26 DM installiert wurde. Am 2. Adevent 1984 fand der Gottesdienst erstmals
in der beheizten Kirche statt. Das Kirchenstövchen, das vorher von Kirchenbesuchern oft mitgebracht wurde, hatte
ausgedient.
"Der schiefe Turm wird aufgerichtet." Unter dieser Oberschrift erschien ein Bericht im Anzeiger für Harlingerland, als
1989 mit der umfangreichen Sanierung des Glockenturms begonnen worden war. In dem Zeitungsartikel heißt es
dann: "Ihre Kirche halten die Eggelinger in Ehren, ihren schiefen Turm ganz besonders. In diesem Sinne wäre ein
örtlicher Aufstand zu befürchten gewesen, hätte die Landeskirche die seit langem notwendige Grundsanierung des
Glockenturmes verweigert und stattdessen einen Neubau verlangt. Der wäre sicherlich preiswerter gekommen. Aber
der Denkmalschutz rettete den schiefen Turm vor der Spitzhacke. Mit 200.000 DM sind die umfangreichen
Reparaturarbeiten veranschlagt worden, die zum Glück für die kleine Kirchengemeinde gänzlich von der
Landeskirche getragen werden ..
Wie alt Kirche und Glockenturm sind, darüber "streiten sich die Gelehrten", wie sich Pastor Dieter Herten hierzu
ausdrückt. Irgendwann während des 13. Jahrhunderts wäre jedoch ein Errichtungsdatum anzunehmen. Und so habe
der Glockenturm doch ein recht beachtliches Alter vorzuweisen.
Seit wann sich das Gemäuer dem Erdboden zuneigt, ist ebenso unbekannt. Auf den ältesten existierenden Fotos ist
die Schieflage jedoch bereits deutlich zu erkennen. Deswegen auch hätte mancher im Ort vor Beginn der Sanierung
befürchtet, sollte erst einmal der Efeu zurückgeschnitten sein, würde das Bauwerk ohnehin zusammenstürzen. Das
geschah zwar nicht. Doch so frei von Bewuchs, muß sich jeder, der in den letzten Jahren den Turm bestieg, im
Nachhinein wie ein Stuntman vorkommen.
Geläutet wurde zuletzt nur noch selten und allenfalls bis zu drei Minuten. Wann die Glocke wieder frisch erklingen
darf, ist jetzt aber noch nicht absehbar. Gehofft wird auf den Mai, denn Trauungen stehen an.
Eine Anmerkung am Rande: In Gesprächen der Eggelinger zur Turmsanierung wurde übrigens gefrotzelt, das ganze
Bauwerk könne ruhig ein bißchen höher werden. Dann könne man sich aus Jever endlich wieder eine im 16.
Jahrhundert aus dem Ort gestohlene Glocke wiederholen. Die Marienstädter müßten dann allerdings auf ihr
Marienleuten verzichten."
Die Sanierung des Turmes wurde 1990 abgeschlossen. Die Kosten beliefen sich auf 203.778,35 DM. Man hat
allerdings darauf verzichtet, ihn wieder aufzurichten. Der Turm hat also seine schiefe Lage behalten. Um zu
vermeiden, daß der Turm in eine noch schiefere Lage gerät, wurden die Fundamente verstärkt. Das Mauerwerk wurde
mit früheren Maßen angepaßten Klinkern teilweise erneuert. Weitgehend erneuert wurden auch das Dachgebälk und
die Glockenaufhängung. Bei dem Einweihungsgottesdienst konnte die Glocke entsprechend der geltenden
Läuteordnung wieder voll ertönen.
Die 71. Ausgabe (April-Mai 1991) der Zeitschrift "MIT'Nanner", herausgegeben von den evangelischen
Kirchengemeinden Wittmund-Eggelingen, enthält eine gute Nachricht für Eggelingen: Die Landeskirche Hannover hat
"grünes" Licht gegeben für die Renovierung unserer alten, ehrwürdigen Skt. Georgskirche. Für diese
Renovierungsarbeiten werden 250.000 DM in Aussicht gestellt. Mit großer Freude hat der Kirchenvorstand diese gute
Nachricht zur Kenntnis genommen. Vorbei sind die Zeiten, in denen geplant war, unsere alte Kirche abzuschreiben.
Wir sind sehr dankbar, daß nach der Turmrenovierung nun auch die Kirche dran ist. Wir wollen unsere kirchlichen
Gebäude erhalten für uns und die nachfolgenden Generationen. Der Baubeginn ist für 1992 vorgesehen. "Herr, ich
habe lieb die Stätte Deines Hauses und den Ort, da Deine Ehre wohnt."
Uber das Alter der Eggelinger Kirche werden in dieser Chronik unterschiedliche Vermutungen angestellt. Johann
Onnen erwähnt Urkunden aus den Jahren 1124 und 1190 und meint, vielleicht sei schon damals die jetzt noch
bestehende Kirche vorhanden gewesen.
In dem Buch über die Einwohner des Alten Amtes Wittmund von Heyko und Eva Heyken heißt es, sie stamme aus
dem 14. Jahrhundert.
H. Schütte meint in seinem Aufsatz über die Entstehung der Harlebucht, keine der Kirchen dieses Bereichs sei älter
als 500 Jahre.
In welchen Jahren die Kirche tatsächlich gebaut wurde, werden wir wohl nicht erfahren.